die bekannten Plagegeister im Meerwasseraquarium erkennen und beseitigen [Archivartikel aus dem Jahr 2003] mit vielen Mikroskopbildern
Fast jeder Meerwasseraquarianer hat damit zu tun, oder wird sich im laufe seiner Hobbyzeit damit auseinander setzen müssen. Die Rede ist von Algenplagen. Genauer gesagt, von Schmieralgen. Wenn es dann mal soweit ist und unschöne Beläge das Aquarium zieren, ist meist guter Rat teuer.
Dieser Artikel soll dem Aquarianer Hilfestellung geben, zuerst einmal heraus zu finden, mit was für einer Plage man es überhaupt zu tun hat. Von chemischen Einsätzen, geschweige denn Antibiotika wie zum Beispiel Chloramphenicol, halten wir nicht viel. Wir lehnen es zur Behandlung bei dieser Art der Plage grundsätzlich ab. Oftmals macht man mit dem Einsatz mehr kaputt als es hilft.
Kieselalgen:
Ein Thema das man nicht so schnell abhandeln kann. Kieselalgen im Meerwasseraquarium entstehen durch den Silicatanteil im Wasser. Gerade Aquarianer die ohne Osmoseanlage arbeiten haben meist einen recht hohen Wert. Ja selbst die die Osmose nehmen sind nicht so ganz davor geschützt kein Silicat einzubringen. Manuela und Robert haben zum Beispiel im Leitungswasser einen Silicatgehalt von 11 mg/L (hat sich in 5 Jahren verdoppelt). Nach Osmose liegt der Silicatgehalt noch immer bei 1,0 mg. Ein Ergebniss, das durchaus reicht, um immer mal wieder braune Beläge auf dem Boden zu bekommen. Nun kann man dagegen halten, dass im Meerwasser selbst Werte bis zu 3 mg/L Wasser nachgewiesen werden. Das stimmt sicherlich. Allerdings ist die Biologie im Meer halt immer noch etwas anderes als bei uns in den kleinen bis kleinsten Minitümpeln :-) Mitnichten ist es auch so, dass wir alle Tiere pflegen die Silicat brauchen. Denken wir nur mal an die vielen Schnecken oder einfach nur an Doktoren aus der Ctenochaetus Gruppe. Diese nehmen Kieselalgen bewusst und gerne mit auf.
Dennoch sind wir heute der Meinung, dass wir kein Silicat ins Wasser einbringen sollten. Vor allem dann nicht, wenn man nach Wasserwechseln oder andern Wasserzugaben (Verdunstungswasser) braune Beläge beobachtet. In vielen Salzmischungen ist auch heute noch genug Silicat enthalten, welches für das überleben der Tiere, die von Kieselalgen abhängig sind, durchaus reicht.
Wenn man nun immer wieder Probleme mit braunen Belägen hat, sollte man zuerst einmal sicherstellen, wie hoch der Wert ist. Ausnahme ist hier sicherlich die sog. Einfahrphase. In dieser Zeit ist ein Auftreten von brauen Belägen ganz normal und gehört auch dazu. Frische Glasaquarien begünstigen anfänglich das Wachstum. Diese Kieselalgen verschwinden aber in der Regel in den ersten Wochen wieder.
Leider hat kaum ein Aquarianer einen Silicattest, kein Wunder sie gehören auch nicht gerade zu den billigsten Tests auf dem Markt. [Stand der Information war das Jahr 2003] Das hat sich mittlerweile, wir sind ja nun vier Jahre weiter, etwas gebessert, so daß viele Firmen einen Silicattest bereithalten. Der eine zuverlässiger als der andere.. Hierzu sollten sie in Internetforen nachlesen welche vom Ergebnis her geeignet sind.
Oftmals werden aber andere Algenprobleme gerne den Kieselalgen zugeschoben. Meist sind sie aber nicht daran schuld. Wesentlich öfter haben Aquarianer Probleme mit Cyanobakterien und Dinoflagellaten. Dazu kommen wir in diesem Artikel aber noch.
Zuerst möchten wir dem interessierten Leser zwei Bilder von Kieselalgen zeigen: Jeder der ein Mikroskop zu Hause hat, kann gerne mal nachschauen. Wir weisen aber jetzt schon darauf hin das es immer ratsam ist die Plagen unter dem Mikroskop an zu schauen und zu identifizieren. Denn nur dann kann man geeignet Schritte unternehmen.
Es gibt heute weitaus mehr Möglichkeiten als früher, etwas gegen Kieselalgen zu unternehmen. Zum einen reduziert der Silicatadsorber Silicarbon (von der Fa. Aquaconnect) Kieselsäure sogar aus dem Aquariumwasser, zum anderen kann man mit einer Osmoseanlage mit nachgeschalteten Reinstwasserfilter (Mischbettharz) oder sogar mit einem reinen Silicatharz anfallendes Silicat aus dem Wasser gänzlich entfernen. Günstiger und einfacher geht es mit dem Mischharz von Aqua-Light das es im Fachhandel und in guten Onlineshops gibt. Dort bekommt man auch weiterführende Infos zum Thema Mischharze.
Nach wie vor gilt auch hier das ein gutes Ausgangswasser das A und O der Meerwasseraquaristik sein dürfte.
Kommen wir nun zu den Dinoflagellaten: (Panzergeißler)
Das Auftauchen dieser Algen ist fast schon ein Garant dafür gewesen, dass Aquarianer entnervt mit der Aquaristik aufhörten. Braune Beläge die immer mehr werden und die ganze Dekoration überziehen. Mit der Zeit bilden sich immer mehr Algenbeläge. Dazu kommt dann Sauerstoff, der sich in Blasen unter dem Algenteppich bildet. (Photosynthese). Dieser reisst dann nach und nach die Algen vom Boden bis zur Wasseroberfläche mit hoch. Ein unschöner Anblick, der zudem die Niederen Tiere massiv gefährdet. Je mehr man absaugt und dagegen kämpft, um so schneller scheinen diese Algen zu wachsen.
Hier spricht man umgangssprachlich von "braunen Schmieralgen". Andere Bezeichnungen in Aquarianerkreisen sind auch "braune Pest" oder Goldalge.
Anzumerken ist hier (pers. Mitteilung von Jörg Kokott) dass Goldalgen aber in eine andere Algengruppe gehören, nämlich zu den Chrysophyceen! So ist die bisherige Bezeichnung Goldalge schlichtweg falsch. Bei nicht einer Probe die bisher untersucht wurde, fanden wir Goldalgen. [Stand 2003] Der Dinoflagellat, der vielen Aquarianern das Leben schwer macht, ist dagegen aus der Familie Dinophyceae.
Dinoflagellaten charakterisieren sich durch einen stark lichtbrechenden Rand und einem abgelachten Pol gegenüber der Goldalge (Chrysophyceen)
Harald und Sabine, Ihnen steht ein gutes Mikroskop zur Verfügung, haben mittlerweile viele Proben von Aquarianern unter dem Mikroskop untersucht. Als ca. Angabe kann man sagen, dass 70% der Proben Cyanos (zusammen mit Kieselalgen) enthielten, 30% der Proben waren aber Dinoflagellaten.
Wer seine Algen unter dem Mikroskop untersuchen lassen möchte, kann dies gerne bei Michael Mrutzek, www.meeresaquaristik.de machen. Er hilft Ihnen gerne weiter. Er hat auch die nötigen Mittel die bei der Algenplage helfen können.
Meist schleppt man sich Dinoflagellaten mit dem Kauf von Wirbellosen, oder Steinen ins Becken ein. Man könnte es als Infektion des Aquariensystems ansehen. Aquarien verschiedenster Wasserqualitäten werden befallen, und haben sie erst mal das Wassermilieu auf ihre Bedürfnisse eingestellt, kommt es zu einer Massenvermehrung. Deshalb spielt die Wasserqualität bei dieser Plage nur eine untergeordnete Rolle, da ein Auftreten bei sowohl sehr sauberen Wasser, als auch bei nicht so sauberem Wasser vorkommen kann. Zudem scheinen Dinoflagellaten in der Lage zu sein, Dauerzysten zu bilden, weshalb sie immer wieder ausbrechen können.
Achtung :
Dinoflagellaten können unter Umständen durch die Produktion von Toxinen das Wasser vergiften.
Dieser auf dem Foto gezeigte Dinoflagellat war genau 7 Tage in einem verschlossenen Glas von Wien nach Moringen (bei Northeim) unterwegs, und stand so unter starkem Lichtentzug. Leider zeigte er unter dem Mikroskop nach wie vor eine deutliche Schwimmbewegung. Das deutet darauf hin, dass der von manchen Aquarianern bisher propagierte Lichtentzug nur unzureichend, und nicht wirklich hilfreich sein wird. Die Vermehrung der Dinoflagellaten ist zum einen geschlechtlich oder vegetativ. (Teilung) Schaltet man am morgen das Licht ein kommt es zu einer sehr starken vegetativen Vermehrung. Innerhalb von kürzester Zeit ist das Substrat überzogen mit braunen Schleim. Stellt man die Strömungspumpen ab trübt sich das Wasser innerhalb kurzer Zeit und die geschlechtliche Vermehrung tritt ein. Das Wasser ist nun bräunlich.
Unserer Ansicht nach begünstigen ein hoher Silicatwert, wie auch Spurenelementzugaben (auch Jod und Aminosäuren) das Wachstum der braunen Pest. Wie bei allen Plagen sollten zunächst keine Spurenelemente mehr zugegeben werden. Ebenso sollte man bei einem evtl. absaugen der braunen Pest, möglichst nur altes, also gebrauchtes Beckenwasser nehmen, um nicht noch mehr Mineralstoffe durch neues Salzwasser einzubringen.
Hinweis:
Die sog. braune Pest löst sich in der Strömung als Wassertrübung auf, wohin gegen sich Cyanobeläge in Fetzen lösen.
Wir würden heute beim Auftreten dieser Plage eine Behandlung mit dem Mittel Algen Ex anraten. Leider hat sich bisher nichts weiteres ergeben zu was wir raten könnten. Dazu muss aber gesichert sein, dass es sich eben um diese Alge handelt. Die einzige uns bekannte Bezugsquelle ist Michael Mrutzek, von http://www.meeresaquaristik.de.
Der Hersteller des Produktes Algen Ex ist uns leider unbekannt. Es handelt sich dabei um ein Zellgift, das alle Algen, also auch die höheren Caulerpa-Algen, abtötet. Manuela und Robert haben vor Jahren dieses Mittel selbst schon mal testen müssen und nur gute Erfahrungen damit sammeln können.
http://protist.i.hosei.ac.jp/PDB/Images/Mastigophora/Phacus/index.html
Kommen wir nun zu den schon beschriebenen Goldalgen/Chrysophyceen:
Auch die Goldalgen werden mit Steinen oder niederen Tieren eingeschleppt. In wenigen Aquarien konnte ich sie beobachten wo sie sich aber nicht zur echten Plage ausgebreitet haben. Unter dem Mikroskop stellen sie sich sehr viel kleiner und homogener dar aber auch mit einer stark lichtbrechenden Schale. Ein Flagellum soll vorhanden sein konnte aber lichtmikroskopisch nicht gesehen werden.
Sie sind durch eine durchsichtige, visköse Masse verbunden.
Die Farbe entspricht der der Dinoflaggelaten (golden) sind jedoch absolut bewegungslos.
Im Aquarium sehen sie durch ihren Zusammenhalt leicht schleimig aus und Luftblasen ziehen die Chrysophyceen in langen Ausläufern nach oben was ihnen ein nudelähnliches Aussehen verleiht, daher auch der Trivialnahme "golden nuddel".
Die Chrysophyceen bilden bei schlechten Umweltbedingungen eine Dauercyste aus Kieselsäure was sie meiner Meinung nach auch Kieselsäureabhängig macht. Empfindlich sind sie gegen PH Wertschwankungen.
Cyanobakterien:
Wer kennt es nicht? Plötzlich auftauchende rötliche Beläge im Becken. [Anmerkung: sie können auch grünlich aussehen, wobei das eher seltener ist als rot]
Dabei handelt es sich aber nicht, wie viele vermuten, um Algen, sondern um Bakterien, genauer Cyanobakterien. Oftmals, zumindest bei Manuela und Robert schon zweimal, treten diese Cyanobakterien nach dem Wechsel der Lichtquelle (Brenner, Röhren) auf. Haben sich Cyanos erst einmal im Becken etabliert, ist es sehr schwer diese wieder los zu bekommen.
Achtung :
Cyanobakterien können durch die Produktion von Toxinen das Wasser vergiften.
Im folgenden Teil sehen sie zuerst Bilder von Cyanobakterien unter dem Mikroskop, nachfolgend auch vermischt mit Kieselalgen. Interessant ist, dass im Gegensatz zu den Dinoflagellaten (diese schwimmen ja aktiv), Cyanos sich eher oszillierend bewegen.
Eine weitere Möglichkeit um zu erkennen ob es sich um Bakterien oder Algen handelt:
Es empfiehlt sich eine kleine Probe des Belags dem Becken zu entnehmen und in reinen Alkohol (Ethanol) zu legen. Nach ca. 10 bis 15 Minuten sollte sich das Wasser rötlich (bei der grünen Art dann grünlich) färben. Handelsüblicher Alkohol aus der Apotheke ist dafür auf jeden Fall geeignet. Färbt sich das Wasser in der genannten Zeit rötlich, handelt es sich relativ sicher um Cyanobakterien. Eine 100% Bestätigung erhält man natürlich auf jeden Fall durch ein Mikroskop.
Und was ist das folgende nun? Sehen ja nicht gerade wie die bisherigen Cyanobakterien aus oder?
Es sind aber welche. Sabine Mülder hat sie für eine Userin des Meerwasserforums untersucht. Die meisten Cyanos sind zwar wie die Bilder oben zu sehen langkettig, aber das muss nicht immer der Fall sein. Sabine Mülder hat sogar die Art herausgefunden. Es handelt sich wohl um: Microcystis sp.
Ganz interessant ist, dass sich in den meisten Proben von Sabine und Harald zu Cyanos auch Kieselalgen befunden haben. Was lässt dieser Rückschluss zu? Auch die Aussage, dass Cyanos nach Kieselsäureentferung zurückgingen, kann ein Hinweis darauf sein, dass sich Cyanobakterien von den Stoffwechselprodukten der Kieselalgen ernähren. Dies ist jedoch reine Spekulation, und experimentell nicht untersucht. (Es handelt sich hierbei um eine Hypothese, nicht um einen wissenschaftlichen Beweis.)
Bekämpfung:
Tauchen nun aber doch mal Cyanos auf, sollte man auch nicht gleich den Kopf in den Sand stecken.
Wir haben es selbst noch nicht probiert, aber es gibt nicht wenige Aquarianer, die mit dem Mittel Anti Red von der Fa. Aqua Medic den Cyanobakterien her geworden sind. Es ist bekannt das manch Antibiotika hilft, was allerdings auch zum absterben der anderen Bakterien führt und ein Becken durchaus zum Absturz bringen kann.
Manuela und Robert haben es vor ca. zwei Jahren mit normalen Mitteln, also ohne Chemie, geschafft. Mehrmaliges Absaugen mit nachfolgender Zugabe von feinen Zeolithen in Überdosierung. (Easy Life oder Timo Clear Konzentrat) Was letztendlich nun schuld daran war, wissen wir bis heute nicht. Um es kurz und bündig zu sagen, es muss eine krasse Milieuveränderung erfolgen, um die Cynaobaktieren empfindlich zu stören. Erst dann werden diese verschwinden. Wichtig ist in jedem Falle das regelmässige Absaugen der roten Beläge, so dass keine Blumentiere gefährdet werden. Ohne regelmässiges absaugen wird man keinen Erfolg haben !
Ein Bericht von Sabine Mülder, Harald Mülder, Manuela Kruppas und Robert Baur-Kruppas
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