Algenplagen im Riffbecken sicher vermeiden ! Ein besonders hilfreicher Artikel von Michael Megerle, der sich mehr mit dem Verhindern von Algenplagen beschäftigt als mit der Lösung über käufliche Mittel. Sehr lesenswert !
Immer wieder werden Meerwasseraquarianer von unliebsamen Algen- und Cyanoplagen heimgesucht. Die Folge davon, eine Menge Ärger, Arbeit, eventuell Tierverluste, in manchen Fällen verleideter Spass am Hobby. Es wird dann verzweifelt nach Ursachen und Bekämpfungsmethoden gesucht und es gibt dann auch allerlei Empfehlungen, die teils in unterschiedliche, teils sogar in gegensätzliche Richtung gehen.
Die paar Wasserwerte die wir heute messen können geben allenfalls einen groben Anhaltspunkt, ob grundsätzlich was schief läuft, durch möglicherweise zu hohe Nährstoffbelastung (No3/PO4), oder CO2 Eintrag aufgrund zu hohen Besatzes, oder einen falsch eingestellten Kalkreaktor.
Jedoch wenn dort alles in Ordnung scheint, dann geht das Grübeln los. Dann wird empfohlen diverse Werte zu senken, andere zu erhöhen, die Strömung zu verbessern oder zu vermindern. Auffällig dabei ist dass solche Tipps bei einem helfen mögen, bei einem anderen jedoch nicht. Das bedeutet, eine Reproduzierbarkeit ist meist nicht gegeben und die Bekämpfungsversuche gleichen einem fischen im Trüben ;-)
Mir scheint dabei, es kommt weniger auf die Art der Massnahme an, als vielmehr darauf, dass überhaupt deutliche Veränderungen durchgeführt werden und dass der Aquarianer durch Beharrlichkeit und gute Beobachtungsgabe bei der Bekämpfung mit hilft. Vorrausgesetzt , die Wasserwerte sind grundsätzlich OK. Wichtig ist aus meiner Sicht, frühzeitig zu agieren, damit der übrige Besatz an Korallen noch vital ist und nicht durch ein nachlassendes Wachstum von Stein- und Weichkorallen, die Bedingungen für die Algen bzw. Bakterien noch weiter begünstigt werden. Bei den Untersuchungen von Dr. Loch in maledivischen Riffen, nachdem Korallenbleaching, hat sich vielfach gezeigt dass die Zahl der herbivoren Tiere, die grosse Menge des freigelegten Substrates nicht algenfrei halten konnten. Es kommt also immer sehr stark auch darauf an, dass das Milieu intakt ist und eine grosse Zahl vitaler Korallen in Konkurrenz zu Algen und Bakterienorganismen steht.
Ich selbst bin in meiner langjährigen Erfahrung auch des öfteren von den unterschiedlichsten Algenproblemen heimgesucht worden. Dabei ist mir besonders bei Cyanobakterien aufgefallen, dass diese häufig im Frühjahr, zeitgleich bei vielen Aquarianern auftauchen, ähnlich einer Grippewelle. Eine Erklärung dafür habe ich nicht, aber man sollte in der Zeit vielleicht besonders wachsam sein. Wenn die Populationsdichte einen bestimmten Punkt überschreitet verändert sich dadurch augenscheinlich das Milieu in einer Weise zugunsten der Algen oder Bakterien, dass es ohne chemische Keule, oder massive Eingriffe und Massnahmen am Wasser, keinen Weg aus der Krise gibt.
Nachdem ich vor zwei Jahren einen Versuch gestartet habe ein total veralgtes Becken wieder zum Riffbecken aufleben zu lassen, ist mir klar geworden dass die beste Bekämpfung eine natürliche, und die allerbeste Bekämpfung die Vermeidung ist J
Im konkreten Fall hat das für mich bedeutet, eine konsequente Besetzung aller bekannte ökologischer Nischen mit einer ausreichenden Zahl, an mehr oder weniger von Algen- und Bakterienaufwuchs lebenden Individuen.
Wenn ich mir bei Aquarienvorstellungen oft den Besatz ansehe, wundere ich mich wie wenig dabei dem Aspekt Algenvermeidung Rechnung getragen wird, durch Besetzung unterschiedlicher Nischen mit einer ausreichenden Zahl von herbivoren Tieren.
Den einen oder anderen Doktor, oder auch mal ein Seeigel, oder ein paar Einsiedler aber dann ist meist schon Ende. Wenn man dagegen im Riff sieht wieviele Riffdach- und andere Seeigel, Seesterne, Seegurken, Schnecken, Einsiedler, Krabben etc. etc. auf einem Quadratmeter unterwegs sind dann scheint mir der Besatz mit solchen Tieren in einem durchschnittlichen Riffbecken deutlich zu gering. Versuche im Riff haben gezeigt, dass der Bereich aus dem man die wichtigsten herbivoren Tiere entfernt schnell grün wird und veralgt.
Man sieht aus diesen Naturbeobachtungen auch, dass dort wo die Wasserbedingungen für Korallen gut sind durchaus auch Algen und Cyanos sehr gut gedeihen. Eine erfolgreiche Bekämpfungsstrategie kann deshalb meines Erachtens nur teilweise über eine Veränderung der Umgebungsbedingungen, in der Hauptsache jedoch über einen ausreichenden und permanenten Frassdruck, durch unterschiedliche Tiere erfolgen.
Unterschiedlich aus dem Grund, weil dadurch unterschiedliche Algenorganismen bzw. Bakterien, in unterschiedlichen Wachstumsstadien vertilgt, bzw. unterdrückt werden.
Selbst Cyanos im Anfangsstadium werden nach meiner Beobachtung an einer Wachstumsexplosion gehindert, wenn erste kleine Stellen immer wieder befressen oder gestört werden. Dabei kann ein ans Hauptbecken angeschlossenes Algenrefugium zusätzlich gute Dienste leisten, indem es bestimmte Stoffe aus dem Wasser entnimmt, deren Bedeutung wir heute möglicherweise noch nicht kennen. Ich kann beobachten, dass ein grosser, total veralgter Stein, besetzt mit div. Rotalgen, selbst Fadenlagen und Cyanos in lustiger Mischung, den ich vom Refugium ins Riffbecken bringe, von den unterschiedlichen Tieren nach spätestens 2 Tagen völlig blank gefressen ist! Und das obwohl alle Tiere gut im Futter stehen. Das bedeutet für mich, wenn ein Bewuchs aufkommt und es sind ausreichend herbivore Tiere vorhanden, dann wird eine massenhafte Ausbreitung sicher nieder gehalten. Immer vorrausgesetzt natürlich das Wasser ist nicht überdüngt.
Ich für meinen Teil habe mit der oben geschilderten Strategie sehr gute Erfolge, sowohl in Bekämpfung als auch in der dauerhaften Verhinderung erzielt. Es gibt übers Jahr zwar immer mal wieder kleinere Stellen wo die eine oder andere Alge auftaucht, oder ein lokal begrenzter Stein mit etwas Cyanobelag, aber das Problem bleibt immer eng begrenzt und ist meist nach einger Zeit von selbst wieder verschwunden. Algen- und Cyanoprobleme gehören für mich, seitdem ich mit dieser Methode der grösstmöglichen Naturnähe arbeite der Vergangenheit an, obwohl die Vorraussetzungen in diesem Fall alles andere als günstig waren.
Beispielhaft möchte ich hier meinen Besatz an Tieren nennen, die sich mehr oder weniger von Algen ernähren (Becken ca. 500L 130x60x60)
Möglicherweise bekommt man nicht alle diese Tiere immer beim Händler, aber ich habe mir diese gezielt nacheinander gekauft so wie ich sie bekommen konnte. Bei den genannten Tieren geht es in erster Linie nicht um Fische, sondern um solche Nützlinge (in Bezug auf Algen), die gemeinhin übersehen werden. Wenn das Becken ausreichend Raum bietet ist ein Besatz mit ein oder 2 Hawai Doktoren und einem Borstenzähner aus der Gruppe Ctenochaetus empfehlenswert. Gegen Kugelalgen kann man ein Fuchsgesicht zum Einsatz bringen. Diese Optionen beschränken sich aber nur auf ausreichend grosse Becken, wohingegen die nachfolgend genannten Tiere auch in kleiner Becken sinnvoll zum Einsatz kommen können.
6 kurzstachlige Seeigel, und einen Sanddollar
5 Seesterne (Linkia, Protoreaster, Archaster etc.)
2 Schlangensterne, dazu hunderte kleiner Schlangensterne im Riffgestein
1 schwarze Seegurke
Hunderte von kleinen Schnecken aus 3 oder 4 Arten (selbsvermehrend)
1 Abalone
Ca. 20 kleine Einsiedler aus 2 unterschiedlichen Arten
3 Paar Putzergarnelen
1 Percnon Krabbe und einige Korallenkrabben, in den SPS
Im folgenden finden Sie einige Bilder der typischen Algenfresser die Michael im Artikel beschreibt.
Zu beachten ist dass ich in den ersten Monaten nach dem ich das Problembecken rekultiviert habe noch viel mehr Seeigel drin hatte, einen Teil davon habe ich, nachdem die Sache unter Kontrolle war wieder abgegeben. Details dieser Geschichte und zu den Beckenparametern kann man auch unter www.kalkalgen.de nachlesen. Die Seite ist zwar derzeit nicht ganz aktuell, aber schildert im wesentlichen meine Vorgehensweise.
Das dort gezeigte Becken ist jetzt wieder ein vollständig mit SPS durchwachsenes Steinkorallenriff, mit gutem Korallen- Wachstum und Farben. Trotzdem finden alle diese Tiere dauerhaft und ausreichend Nahrung, wie ich an Vitalität, Bewegungsdrang und teilweise der Vermehrungsfreude der Tiere erkennen kann. Bedingt sicher auch durch ausreichende Fütterung des guten Fischbesatzes und durch gelegentliche Zufütterung.
Algen lieber im separaten Becken statt im Riff. Das Becken hat aus der vorgenannten Überlegung heraus seit über einem Jahr zusätzlich ein Algenrefugium mit 100L netto angeschlossen. Hier pflege ich unterschiedliche Rot- und Grünalgen, sowie einige kleine Tiere wie Garnelen, 1 Paar Seenadel etc.. Ein solches Refugium, welches ich einfach durch ein vergrössertes Technikbecken realisiert habe, kann ich nur jedem empfehlen, erstens um darin besondere Tiere zu halten die im Riffbecken untergehen würden, aber auch wegen der Vielfalt an Algen die sich bei guten Wasserbedingungen und Spuriversorgung dort entwickeln und die dafür sorgen dass es den Algen im Riffbecken nicht zu wohl wird J
So das wars, vielleicht liefert das hier geschriebend aus meiner persönlichen Erfahrungen den einen oder anderen Denkanstoss für einen "Algengeplagten", der nicht so richtig weis was er tun soll und der der „Chemischen Keule„ skeptisch gegenüber steht, wie ich.
Mein Fazit: ein natürliches Korallenriff hat in Bezug auf herbivore Tiere und Aufwuchsfresser mehr ökologische Nischen als gemeinhin in Riffbecken besetzt werden. Aus der möglichst guten Nachbildung natürlicher und intakter Lebensräume ergibt sich mE der grösste Schutz vor einer Algen oder Cyanoplage.
Nachfolgend noch ein kleiner "bewegter" Ausschnitt aus meinem Aquarium:
In diesem Sinne wünsche ich allzeit gutes Gelingen und bei Algen-Problemen nicht verzagen :-)
Michael Megerle
PS: Gerne gebe ich einen Ansatz unterschiedliche Schnecken oder ein paar Algen für den Start eines Algenrefugium ab, allerdings nur bei Selbstabholung. Bei Interesse einfach ne Mail an mich, zu finden unter Kalkalgen.de
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