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Magazin: Das Aqua-Porträt von Marius Schumann

aus Ausgabe 02 des Korallenriff Magains: Die Aquaristik prägt mich bereits fast mein gesamtes Leben. Nachdem ich im Alter von fünf Jahren mit der „Haltung“ von einheimischen Stichlingen begonnen hatte,

bekam ich mit sieben Jahren mein erstes 60 - Liter Süßwasseraquarium geschenkt. Diesem folgte 2010 im Alter von 14 Jahren ein Sera - 130l - Meerwasseraquarium, welches ich bereits „eingefahren“ übernahm. 
Seit dieser Zeit ließ mich das Salz in der Suppe nicht mehr los. 
Schnell folgte ein zweites 80 – Liter Becken und später noch einige externe weitere Aquarien, in welchen ich mit Odontodactylus scyllarus (Clownfangschreckenkrebs) wissenschaftlich zur farbgebundenen Kommunikation arbeitete. Natürlich durfte auch in der Studentenwohnung ein Aquarium nicht fehlen. Bei der Planung des Aquariums fasste ich den Entschluss, einmal etwas Ungewöhnliches zu bauen. Da der ausgewählte Standort nur 60 cm Breite zuließ und auch der Leipziger Altbau nicht gerade für seine Aquarientauglichkeit bekannt ist, entschied ich mich ein weiteres Mal, ein kleines Aquarium zu konzipieren. Meine Faszination für Fangschreckenkrebse sollte in diesem Becken auf die optische Komponente eines bunten Riffaquariums treffen. Um trotz der geringen Grundfläche möglichst viel Dekorationsoberfläche zu erhalten, entschloss ich mich für ein hohes Maß (65x60x35 HxBxT) und ein Volumen von ca. 130l. Als Glas wurde Weißglas der Stärke 12 mm gewählt, welches transparent verklebt wurde und von hinten mit LED Leisten illuminiert werden konnte. Zusätzlich erwarb ich eine 20 mm starke, an den Kanten polierte Acrylplatte als Unterlage, auf welcher das Becken gewissermaßen schwebt. 


Es stellte sich mir nun die Frage nach der geeigneten Technik und Dekoration. Ich plante, das Aquarium so einfach wie möglich zu gestalten. Aus diesem Grund bestellte ich eine maßangefertigte Keramikrückwand, welche über eine integrierte Filterkammer für einen kleinen Abschäumer, Heizer, Filterwatte und etwas Kohle, Adsorber etc. verfügte. Die Kammer stattete ich mit einer kleinen 1200l - Pumpe aus, welche das Wasser über eine kleine Lochbohrung aus der Kammer drückt und somit einen Überlauf in diese Technikkammer bildet. Für die Strömungspumpen bohrte ich Löcher in die Rückwand, um diese nicht seitlich an der Scheibe montieren zu müssen. 
Der Anfang erwies sich als etwas haarig. Ich wusste, dass die große Keramikmasse, auf das kleine Wasservolumen gerechnet unweigerlich zu starken KH -Schwankungen und der Abgabe von Schadzubstanzen führen würde. Um dem entgegenzuwirken, entschied ich mich, das Aquarium vier Wochen mit Leitungswasser zu betreiben und in dieser Zeit jeden Tag einen Esslöffel Natriumhydrogencarbonat in das Becken zu geben. Alle fünf Tage tauschte ich das Wasser und versetzte es wieder mit Karbonat. Auf diese Weise stellte ich sicher, die Keramik mit Karbonaten so zu sättigen, dass den erwarteten KH - Schwankungen effektiv entgegengewirkt wurde. Anschließend baute ich zusätzlich lebende Steine ein, welche ich trocken verklebte und füllte das Aquarium mit Meerwasser. 


Da ich gute Erfahrungen mit der Einfahrmethode über eine Bakterienblüte gesammelt hatte, überdosierte ich jeden Tag drei verschiedene Bakterienprodukte. Hierbei ist es aus Sicht der Biologie sinnvoll, ein Produkt mit Schlammbakterien und eines mit Stickstoffbakterien zu nutzen. Um die Bakterien gleichsam ins Wachstum zu bringen, dosierte ich jeden Tag 2 ml Vodka. Ein genaues Produkt ist an dieser Stelle nicht notwendig zu nennen, da alle am Markt befindlichen Produkte hier sehr ähnlich wirken. Auf eine Messung des Po4 - Wertes verzichtete ich, da ich davon ausging, über die Bakterienblüte sämtliche Depots aus dem Gestein herauszulösen. Nach einer Woche entfernte ich das milchige Wasser und ersetzte es durch natürliches Meerwasser. 


Im laufenden Betrieb verzichte ich gänzlich auf die Dosierung von Bakterien, da diese mir zu stark in die allgemeine Beckenbiologie eingreifen und auch Schwermetalle wie Kupfer aus dem Lebendgestein lösen können. Dieser Kupferanstieg war bei der Einfahrphase deutlich messbar. An dieser Stelle möchte ich kurz diese Einfahrmethode näher erklären. Lebendgestein bindet verschiedene Ionen unterschiedlich stark. Besonders stark werden positiv geladene Metallionen (z.B. Kupfer oder Eisen) gebunden. Man spricht auch von Kationensorption. Bakterien geben über ihren Stoffwechsel verschiedene Säuren/Säurereste (positiv geladen) und auch Wasserstoffprotonen (H+) ab. Dies führt zu einer physiologischen Versauerung des Gesteins. In dieser sauren Umgebung, in welcher viel H+ in der Form des Hydronium-Ions (H3O+) vorliegt, nimmt die Bindekapazität positiv geladener Matallionen ab. Diese werden dann ins Freiwasser abgegeben.   Gleichzeitig spalten die Bakterien Calciumphosphat (Depots) auf. Auch dies kann aber zu einem massiven Po4 - Anstieg im Freiwasser führen und sollte daher meiner Meinung nach im laufenden Betrieb unterlassen werden. Reine Keramikbecken haben was die Ansiedlung von Bakterien anbelangt übrigens oft ein Problem, da der basische pH - Wert der Keramik dem natürlichen Säuremilieu der Bakterien entgegensteht. Diese führt zu Schwankungen in den Wasserparametern. Selbst eine hochporöse Keramik bietet daher in der ersten Zeit oftmals deutlich weniger Siedlungsraum als oft angenommen. Aus diesem Grund stieg ich für einen erneuten Schnellstart auf ein  pH neutrales Kunstgestein um. Aber dazu komme ich später. 
Leider ergab sich ein sehr lang anhaltender Engpass an Fangschreckenkrebsen. Über Monate hinweg konnte ich trotz guter Kontakte kein einziges Tier bestellen, weshalb ich mich nun doch für die Haltung von Fischen entschied. Als Technik kamen nur Marken deutscher Hersteller zum Einsatz. Doch die Strömungspumpen machten erhebliche Probleme. Sie waren laut, blieben stehen und waren auch in der Auswahl verschiedener Modi doch sehr eingeschränkt. Nachdem ich die Pumpe zum dritten Mal zum Hersteller einschickte, entschied ich mich übergangsweise für eine Pumpe eines chinesischen Herstellers. Seither nutze ich ausschließlich diese Pumpen. Meine alte, eigentlich neue Pumpe, liegt bis zum heutigen Tag noch beim Hersteller und genießt, so will ich hoffen, ihren wohlverdienten Ruhestand. 
 


Das Becken entwickelte sich in den nächsten Monaten sehr gut. Nach einiger Zeit setzte ich auch Torch-Korallen (Euphyllia glabrescens) ein, welche innerhalb eines halben Jahres aus zwei je 12-15 Polypen bildeten. Dies führte ich auf die sehr weißlastige Einstellung meiner LED und die tägliche Fütterung mit  Artemia zurück. Leider war das Licht für die SPS nicht ganz optimal, was sich vor allem in der Ausfärbung zeigte. Betrieben wurde das Becken zu dieser Zeit mit der Triton Methode. Da das System ein Refugium empfahl, installierte ich einen Wirbelfilter mit umlaufender LED und schloss ihn mittels Schläuchen und einer Pumpe an das Becken an.  Die Reinigung der Algen war jedoch etwas mühsam, weshalb ich dieses Vorgehen so nicht empfehlen würde. Auch musste ich recht viele Spurenelemente von Hand ergänzen.
 
Leider stellte sich heraus, dass die bezogenen Drahtalgen mit Oodinum-Sporen oder einer anderen, von mir leider nicht näher bestimmbaren Korallenfischkrankheit kontaminiert waren, was meinen sämtlichen Fischbesatz in die ewigen Jagdgründe schickte. Nach diesem herben Rückschlag entwickelte sich das Becken weiterhin gut. Ich hatte aufgrund der guten Verfügbarkeit von Biomasse auch einen roten Seestern erworben. Die Korallen wuchsen immer weiter und bald wurde es nötig mit Riffzement auch größere Stöcke etwas zu versetzen. 
Da mein üblicher Mörtel nicht erhältlich war, wich ich auf Anraten eines Fachgeschäftes auf einen alternativen Hersteller aus. Entgegen meiner Erwartungen, pulverisierte dieser jedoch im Aquarium. Nach einem großen WW wähnte ich die Tiere in Sicherheit. Leider muss jedoch mein Seestern dennoch etwas von diesem Staub in seinen Ambulacralraum aufgenommen haben und verendete am nächsten Tag, wahrscheinlich durch die drastische pH - Veränderung in seinem Körperinneren. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt nicht zugegen und zu meinem Bedauern verendete das Tier mit guter Aussicht genau auf einer Strömungspumpe, welche den Körper von sämtlichem Gewebe befreite und dieses im Aquarium verteilte. Ob es an möglichen Giftstoffen oder aber einfach an den schlagartigen Nährwertveränderungen lag, kann ich bis heute nicht genau sagen. Leider wurden jedoch meine großen Acropora tumida und anschließend alle anderen Korallen zu einer massiven Schleimproduktion angeregt. Als ich am Abend wieder nach Hause kam, wunderte ich mich bereits im Erdgeschoss über einen üblen Geruch. Dieser ließ vermuten, dass ein Fischlaster, welcher im Sommer eine mehrtägige Vollsperrung auf der A1 überstanden hatte, geradewegs in das Haus gefahren sei. Aber Spaß beiseite. Der Gestank war wirklich immens und nahm zu meinem Erschrecken auf dem Weg zu meiner Wohnung noch merklich zu. Das Öffnen der Wohnungstür verschlug mir fast den Atem. Ein Blick in das Aquarium offenbarte mir, dass die Korallen so viel Schleim produziert hatten, dass sie sich gegenseitig erstickt hatten. Trotz mehrerer totaler Wasserwechsel waren 90% der Korallen innerhalb der nächsten zwei Tage tot. Die Po4 - Werte waren so hoch, dass alle Tests nur noch ein Tiefblau oberhalb der Skala anzeigten. 
 
Innerhalb der nächsten Wochen dachte ich mehrfach daran, alles hinzuschmeißen. Aber letztlich siegte doch die Liebe zum Hobby. Nachdem ich sämtliches Gestein entsorgt hatte, erwies sich die Rückwand, welche fest mit dem Becken verklebt war, als echter Nachteil. Über acht Wochen habe ich eine Bakterienkur nach der anderen in Überdosis durchgeführt. Die wenigen verbliebenen Korallen konnte ich zum Glück bei Freunden in Sicherheit bringen. Obwohl die Werte im Freiwasser schnell wieder normal waren, hatten sich in der Rückwand große Mengen an Calciumphosphat gebildet, welche einen hervorragenden Nährboden für Bryopsisalgen darstellten. Diese können nämlich Calciumphosphat effektiv spalten und überleben daher auch bei NN Werten an Phosphor.  Um den Algen das Leben zu erschweren, betrieb ich das Licht nur auf dem UV - Kanal betrieben und ein Liter Phosphatadsorber eingebracht. Nach Wochen gaben die Algen endlich auf. 


Ich nutze den Neubeginn, um auf ein neues Versorgungssystem umzustellen, die ATI - Essentials Pro. Aufgrund meiner Platzgegebenheiten im Unterschrank erwies sich dies als ungemeiner Vorteil, da die zwei Behälter entsprechend weniger oft nachgefüllt werden müssen, als die zuvor genutzten vier. Auch entschied ich mich dafür, bei Korallen nun auf 100% Nachzucht zu setzen. Seither entwickelt sich das Aquarium wieder hervorragend. Das Wachstum und die Farbbildung der Korallen sind noch merklich gestiegen und die Wasserwerte bleiben sehr konstant. Auch ein weiblicher Clownfangschreckenkrebs konnte einziehen. Als Dekoration nutzte ich ein wenig Lebendgestein und vor allem das pH - neutrale EpoReef, aus welchem ich auch die Höhle für den Krebs baute. Auf Keramik verzichtete ich, um die Karbonatkur zu sparen und die Besiedlung mit Bakterien und somit das „Einfahren“ zu beschleunigen. Im September 2019 stellte ich die Beleuchtung auf die Jebao AL 150 LED um und bin seither mit dem Licht deutlich zufriedener. Das Aquarium wird sehr einfach, lediglich über die angesprochenen Essentials Pro betrieben und mit den ATI - Nutritions ergänzt. Diese nutze ich, um auf einen erhöhten Fischbesatz verzichten zu können und somit weniger Detritus einzutragen. Dadurch habe ich auch ohne großen Filter kristallklares Wasser und optimale Bedingungen für die Korallen. Als echter Vorteil erwies sich auch der Einsatz von Atemkalk vor dem Abschäumer, welcher das Wachstum nochmals merklich ankurbelte. Auch mache ich alle drei Wochen einen kleinen Wasserwechsel mit Absolut Ocean Salz. Dieses bekommt meinen Korallen nach meinen Erfahrungen von allen bisher getesteten Salzen am besten. Es wäre zwar eigentlich nicht nötig, diese WW zu machen, aber ich liebe die Arbeit am Aquarium und finde, dass die Korallen danach immer noch etwas besser stehen.
Mittlerweile ist das Becken so stark zugewachsen, dass ich keinen Platz mehr für neue Korallen habe und den Bestand wöchentlich ausdünnen muss. Da ich im August umziehe, werde ich die Gelegenheit nutzen, um mich aquarienmäßig zu vergrößern. Auch hier habe ich bereits eine ganz besondere Idee für die Optik. 
Ich freue mich schon sehr darauf. 
 
Noch ein persönliches Wort zum Abschluss:
Wie ihr gelesen habt, ist es nicht schlimm, auch einmal starke Rückschläge zu erleiden. Dies liegt leider ihn der Natur unseres Hobbys. Ich kenne eigentlich keinen langjährigen Aquarianer, welcher noch nie einen solch herben Rückschlag erleben musste. In diesem Sinne möchte ich euch dazu ermutigen, auch bei großen Problemen nicht aufzugeben. Bleibt optimistisch!
 
Marius Schumann

 

 

 

 

 



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robertbaur

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