von Jan Robel, Homepage: www.aqua-terra-net.de [Archivartikel 2001]
Das "Two Ozean" - Aquarium Kapstadt
Im Rahmen einer Südafrika-Exkursion hatte ich die Möglichkeit das 1995 eröffnete Aquarium in Kapstadt zu besuchen. Etwas größer als das berühmte Darling Harbour in Sydney, ist es das größte Aquarium der südlichen Hemisphäre. „Natürlich gibt es noch größere Aquarien auf der Welt. Aber dieses hier ist auf seine Weise einzigartig", betont der Meeresbiologe und Direktor LEX FEARHEAD. Die Besonderheit der Exposition liegt am Zusammentreffen von Atlantik und Indischem Ozean vor der Kaphalbinsel, denn hier ist die Unterwasservielfalt besonders beeindruckend. Nach eigenen Aussagen der Betreiber geht es darum Verständnis für die Vielfalt zu wecken und komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen. Ein hoher Anspruch.
Aus dem Eingangsbereich tritt man in einen völlig verdunkelten Raum, der nur mit zwei großen, im stumpfen Winkel aufeinander zulaufenden
Projektionsflächen ausgestattet ist. Ständig werden hier parallel zwei Videoanimationen präsentiert, die in beeindruckender Art und Weise die Besonderheiten der beiden Weltmeere herausstellen – die Artenfülle des Indik, mit relativ geringen Individuenzahlen und die „Artenarmut“ des Atlantik mit ungeheuer vielen Vertretern weniger Arten. Beide Aussagen werden anhand geographischer, geologischer und hydrologischer Fakten belegt und begründet. Kommentar und Bilder sind so gut aufeinander abgestimmt, dass Grundkenntnisse in der englischen Sprache zum Verständnis ausreichen. Schon allein diese Animation lohnt den Besuch. Den Autoren der Filme ist es gelungen in „fließenden Übergängen“ ihr Anliegen dem Betrachter deutlich zu machen. Der folgende Gang durch das Aquarium wird gleichsam vorgezeichnet. Die erste Abteilung ist den Arten des Indik gewidmet. In den Aquarien wird dem Besucher die Formenvielfalt tropischer Meere nahegebracht und eine Vielzahl von Korallenfischen nebst zugehörigen Korallen, Schecken und Krustentieren präsentiert. Um es vorweg zu nehmen, sowohl Aquarien als auch Tiere und Pflanzen befinden sich in einem hervorragenden Pflegezustand. Die nächste Abteilung zeigt dann die charakteristischen Lebensformen des Atlantik. Hier überwiegen die Heringsartigen, die in großen Schwärmen durch die Becken ziehen.
Für mich ganz besonders beeindruckend war die „Diversity Hall“, in der die verschiedenen Körper- und Lebensformen der Meeresbewohner am lebenden Objekt demonstriert werden. Ich habe noch nie eine so umfangreiche Sammlung lebender Wirbelloser gesehen. Neben gewöhnlichen Kraken (Octopus vulgaris) und bizarr anmutenden Tiefseekrabben und anderen Crustaceen werden auch Quallen und deren Entwicklungsstadien dem Besucher nahegebracht. Methodisch hervorragend aufgebaut ist die in die „Diversity Hall“ integrierte mikroskopischen Abteilung. Hier werden per Video Mikroaufnahmen lebender Kleinkrebse, oder wie bei unserem Besuch, Quallenpolypen auf einen Großbildschirm projiziert. Der verantwortliche Mitarbeiter beantwortet Fragen zur Biologie der jeweils dargestellten Objekte. In kleineren Aquarien kann man zum Größenvergleich dann die Tiere beobachten und die Entwicklung von der Larve zum adulten Organismus verfolgen. Am meisten hat mich allerdings ein Octopus fasziniert, der an der senkrechten Frontscheibe empor kroch, so dass man die Funktion jedes einzelnen Saugnapfes seiner Fangarme en detail verfolgen konnte.
Der sich an die „Diversity Hall“ anschließende „Touch Pool“, lax „Grabbel-Becken“, ist mit Sicherheit nicht nur für die kleinen Besucher des „Two Oceans“ ein Erlebnis besonderer Art. Hier kann man unterschiedliche Arten Wirbelloser im wahrsten Sinne des Wortes begreifen. In einem wasserlosen Kanal findet der Besucher die Gehäuse unterschiedlicher Weichtiere und kann anhand der äußeren Form die jeweilige Familie oder Art erraten. Eine Mitarbeiterin des Aquarium erläutert die Besonderheiten der ausgestellten Exponate und gibt selbst zu ausgefallenen Fragen Antwort. Auch während des weiteren Rundganges fiel mir immer wieder die Kompetenz und das Entgegenkommen der Angestellten auf. Ich wurde wie ein gern gesehener Gast behandelt. Vom „Touchpool“ aus hat man die Möglichkeit entweder die „Geschichte des Wassers“ oder die Kellerräume aufzusuchen. Letztere enthalten eine knapp zehn Meter lange Glasfront, durch die man Südafrikanische Pelzrobben und Brillenpinguine, beide Arten kommen an der Kaphalbinsel vor, beim Tauchen beobachten kann. Hier hatte ich ein Erlebnis ganz besonderer Art. Kurz nach meiner Ankunft kam eine Gruppe von zwanzig etwa fünf- bis sechsjähriger Kinder. Ich nahm an, dass nun die Ruhe für die Beobachtung vorbei wäre, da begann die Führerin der Gruppe mit einer derartig spannenden Geschichte über tauchende Landlebewesen, dass es nicht nur den Kleinen die Sprache verschlug. Ich wünschte mir für unsere Zoos und Aquarien auch solche Betreuer. Im Nachhinein erfuhr ich dann, dass es eine „pädagogische“ Abteilung gibt, die ausschließlich mit Führungen befasst ist.
Ein ganzes Stockwerk des Gebäudes ist dem Kreislauf des Wassers gewidmet – „Story of Water“ nennt sich diese fünfte Abteilung. Auf dem Weg dorthin vermittelt ein überdimensionales Wandgemälde den Wasserkreislauf der Erde. Im Eingangsbereich wird dem Besucher die Bedeutung des Wassers für den Menschen, vom lebensnotwendigen Getränk, der Toilette über die Küche, bis zur Industrie verdeutlicht. Anschließend wird in sehr komprimierter Form der Weg des Wassers vom Regenfall in den Bergen, über die Bäche und Flüsse, bis zum Meer nachvollzogen und die jeweils typische Flora und Fauna exemplarisch vorgestellt. Man „wandelt“ durch Bergregionen mit Quellen und Bächen, wird mit Fauna und Flora der Flüsse konfrontiert, bis man schließlich in die Mündungsgebiete der Ströme gelangt und schließlich wieder in den Weltmeeren endet – technisch und in der Darstellungsweise ist diese Abteilung eine Meisterleistung.
Zwei große Aquarien, eines mit einem Volumen von 800.000 Litern und ein zweites mit 2.000.000 Litern bilden ohne Frage das Kernstück des „Two Oceans“. Beide Becken kann man auf drei verschiedenen Ebenen umlaufen, wobei die untere, auf der man durch Tunnel die Becken unterquert, einen ganz besonderen Reiz ausübt. Da die Becken nach oben lediglich mit einem Glasdach abschließen und das gebrochene Sonnenlicht die unterschiedlichsten Schattenspiele verursacht, hat man tatsächlich den Eindruck, auf dem Meeresboden entlang zu laufen.„Kelp Forest“ – Tangwald, ist das Thema des ersten Beckens. Anmutige, sechs bis acht Meter hohe Braunalgen dominieren die Gestaltung.
Dazwischen kann man eine Fülle der typischen Vertreter dieses Lebensraumes bewundern. Das Bild, das sich durch die acht mal fünf Meter große Frontscheibe bietet, ändert sich ständig. Es fällt schwer sich von diesem „dynamischen“ Anblick loszureißen.
Noch gewaltiger sind die Ausmaße des Prädatorenbeckens, das den großen Meeresräubern vorbehalten ist. Vor der riesigen Frontscheibe hat man bis auf fünf Meter Höhe im Halbrund Sitzterrassen eingebaut, die die ungehinderte Beobachtung ermöglichen. Die „Stars“ dieses, zwei Millionen Liter fassenden Beckens sind unzweifelhaft die Braunhaie, die unermüdlich ihre Runden ziehen. Die letzte Abteilung des „Two Oceans“ ist ausschließlich der Geschichte der Erforschung und Biologie der Quastenflosser (Latimeria chalumnae) gewidmet. Die ersten Exemplare dieser urtümlichen Fische wurden schließlich vor der südostafrikanischen Küste entdeckt und von John L.B. Smith, einem bekannten südafrikanischen Ichthyologen, beschrieben.
Wenn Sie einmal Kapstadt besuchen, dann sollten Sie wenigstens einen halben Tag für das „Two Oceans“ reservieren. Sie können es gar nicht verfehlen, denn es befindet sich auf dem Gelände der Victoria & Alfred Waterfront, „dem“ Touristenzentrum Kapstadts schlechthin.
Im Vorfeld können Sie sich auch über das Vortrags- oder Ausstellungsprogramm informieren, denn die Internetseiten des Aquariums werden ständig aktualisiert (http://www.aquarium.co.za).
Dr. Jan Robel, Juli 2001
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