Dieser Artikel ist der Auftakt eines mehrteiligen Fachartikeles vom bekannten Autor Joachim Großkopf. Lesen Sie alles wissenswerte über Achtstrahlige Korallen.
Von Joachim Großkopf
Nicht durch Quellenangaben belegte Fakten beruhen auf eigene Beobachtungen im Aquarium oder sind Hypothesen
Blumentiere, achtstrahlige Korallen
Die Zoologische Systematik hat weit weniger mit der Biologie der Lebewesen zu tun, als man gemeinhin annimmt. Carl von Linne hat mit dem „Systema Naturae“ erstmals die binäre Nomenklatur eingeführt, die Aufteilung des Namens in Gattung und Art. In den Anfängen wollte man vor allem wissen, welches Tier oder Pflanze man vor sich hat. Zur Unterscheidung suchte man geeignete eindeutige morphologische Merkmale. Bei den Korallen z.B. die Form und Ausbildung des Kalkskelettes oder die Form der Kalkskleriten bei den Weichkorallen.
Als ich 1975 begann mich intensiver mit der Meerwasseraquaristik zu beschäftigen, war es nahezu unmöglich Informationen zur Systematik der Blumentiere zu bekommen. Historische Arbeiten dienten als Grundlage, nur zugänglich wenigen Spezialisten an Universitäten. Also einem elitären Kreis zugänglich. Dann erschienen einige Revisionen und Bücher die man für doch reichlich Geld kaufen konnte, sofern man nur von der Erscheinung wusste.
Heute hat sich einiges verändert. Im Fokus steht heute, wie die Verwandtschafts-Verhältnisse sind und wie einzelne Arten, Gattungen und Familien in ihrer evolutionären Entwicklung eingeordnet werden können. Die Entschlüsselung bestimmter Sequenzen der DNA (mitochondaler DNA) ist zu einem der wichtigsten „Schlüssel“ in der Artbestimmung geworden, und dies wird vieles durcheinander wirbeln.
Ob das nun zu klaren Verhältnissen führen wird? Ich glaube eher das Gegenteil. Heute ermöglicht es die Verwendung von Suchmaschinen im Internet eine Vielzahl wissenschaftlicher Informationen zu bekommen. Dabei muss man die Informationen schon filtern, kaum alles was im Web veröffentlich wird kann man auch lesen. Die Artbestimmung mittels DNA-Sequenzenanalyse wird es aber dem interessierten Laien fast wieder unmöglich machen Tiere zu determinieren. Der Versuch die aus der Evolution (sie befindet sich nie im Stillstand) entstandenen Beziehungen über Gattungen und Arten zu beschreiben hat zu teilweise merkwürdig anmutenden Stilblüten geführt.
So ist es bei den Korallenfischen schon üblich, Populationen gleich mit einem neuen Namen zu belegen, wenn auch nur ein Detail anders gefärbt ist. Unterarten gibt es bei Meerwassertieren wohl nicht? Ein gutes Beispiele hierfür sind die indischen und pazifischen Varianten vieler Fische, wie z.B. Naso elegans und Naso lituratus. In anderen Bereichen der Zoologie und Botanik wird auch anders gehandhabt. Die Systematik der achtstrahligen Korallen ist so schwierig, dass immer noch die „historischen Revisionen“ die Grundlage jeder Systematik darstellen, noch. Wie wichtig es ist ein Tier sicher benennen zu können, merkt man spätestens dann, wenn man sich mit Jemanden darüber austauschen möchte.
Link: Wikipedia
Link: Timms - Tübinger Internet Multimedia Server
Achtstrahlige Blumentiere - mehrstrahlige Blumentiere
In den Köpfen der Aquarianer tummeln sich heute Vorstellungen von quietschbunten Steinkorallenbiotopen, die man so in der Natur vergeblich suchen wird. Die farbigen Riffstellen liegen im Schatten oder in der Tiefe. Hier lebt eine Gemeinschaft aus bunten achtstrahligen Korallen, Schwämmen, Manteltieren etc. .
Leider sind Arten aus diesen Tiergemeinschaften im Aquarium extrem schwierig zu pflegen. Die so begehrten Steinkorallen sind zwar zusammen mit den Kalkalgen die Erbauer der rezenten Riffe, doch befinden sich Steinkorallen mittlerweile in einer schwierigen Situation. Sie überleben Größtenteils nur innerhalb eines geringen Temperaturfensters, der Preis für die Symbiose mit den Zooxanthellen. Die beginnende Erderwärmung wird ihnen wahrscheinlich zum Verhängnis werden. Die achtstrahligen Blumentiere betrifft das Temperaturproblem genauso, sofern sie ebenfalls mit Zooxanthellen in einer Endosymbiose leben.
Weichkorallen haben sich aber vermutlich weitaus vielfältiger angepasst und leben erfolgreich von den Tropen bis in die arktischen Gewässer, von der Gezeitenzone bis in größte Tiefen. In der Natur gibt es Riffe in denen die achtstrahligen Blumentiere (vor allem die Weichkorallen) dominieren. Ich selbst habe solche Bereiche bei Ostafrika und auf den Philippinen bei der Insel Apo beobachten können. Bei Apo handelt es sich nicht um belastetes Wasser und darum kaum um eine Sekundärbesiedelung, dazu sind die Riffwände zu steil und der Wasseraustausch zu gut. Verschiedene UW-Aufnahmen zeigen die dortige Artengemeinschaft auf dem Riffdach bis in etwa 5 m Wassertiefe. Im Gegensatz zu den Steinkorallen sind die achtstrahligen Blumentiere vielleicht anpassungsfähiger, sie könnten in den nächsten Jahrhunderten eventuell in die Lücken vorstoßen, die bei einer stetigen Klimaerwärmung durch das Absterben von Steinkorallen wahrscheinlicher werden.
Was ist ein „Achtstrahliges Blumentier (Koralle)“?
Achtstrahlige Korallen können zwar sehr groß werden, doch die einzelnen Polypen sind immer klein. Die Lederkorallen sind ein Beispiel dafür, wie man diesen Nachteil völlig wettmachen kann. Sie können in stark belasteten Wasser sehr gut überleben und wachsen ohne dass jemals die Polypen vollständig geöffnet sind, wie geht das?
Verschiedene Oktokorallen besitzen zwei Arten von Polypen, die Autozooiden und die Siphonoozoiden. Die Autozooiden sind die schönen „Fresspolypen“ mit den immer acht Tentakeln an der Spitze. Die Siphonozooiden sind die winzigen meist „braunen“ Punkte an der Kolonieoberfläche. Sie ermöglichen den Wasseraustausch in den Kolonien. Die Fresspolypen (Autozoiden) werden bei der Vermehrung mit Larven und Eiern eingesetzt. Die Lederkorallen wirken für ihre Zooxanthellen wie riesige Treibhäuser. Solange über die Wasseraustauschpolypen (Siphonozooiden) ausreichend Nährstoffe in die Kolonie kommen, werden die Fresspolypen nur sehr unvollständig geöffnet. Erst wenn die Energiezufuhr des Lichts den in der Kolonie anfallenden Nährstoffgehalt anscheinend überwiegt, werden die Fresspolypen geöffnet, je nährstoffärmer umso weiter.
Sarcophyton spp. und Lobophytum spp. sind dafür die besten Beispiele.
Cespitularia ssp. und Heteroxenia.spp. zeigen dieses Verhalten auch, obwohl sie anscheinend keine feste Nahrung mehr aufnehmen.
Besonders Lobophytum kann den Aquarianer zur Verzweiflung bringen, ehe sie ihre meist wenigen aber schönen Fresspolypen öffnet. Sinularia hat nur einen Typ von Polypen.
Darum zeigen diese Lederkorallen auch in belastetem Wasser ihre schönen Polypen, wenn auch meistens nicht so wie in Phosphat- und Stickstoffarmen Wasser. Interessant ist dabei, dass diese Lederkorallen die Polypen tagsüber öffnen, wenn weniger Plankton im Wasser ist und nicht während der planktonreichen Nacht. Dies kann noch unerkannte Ursachen haben oder mit der Art der Nahrung zusammen hängen. Eventuell ist das auch erforderlich um Fressfeinden zu begegnen, die erst nachts aus dem Riff hervor kommen. In erster Linie wohl Borstenwürmer, räuberische Seeigel und Seesterne und Schnecken (z.B. Ovula ovum). Neben diesen spezialisierten achtstrahligen Lederkorallen, die zwei Polypentypen ausbilden, teilt ein Merkmal alle, sie haben immer acht gefiederte Fangarme, die an acht mit Mesenterien unterteilten Septen im Magenraum anschließen. Daran kann man eine achtstrahlige Koralle einwandfrei erkennen. Ausbildung und Wuchsform anderer Tieren wie Moostierchen, Hydroidpolypen und Schwämmen kann ähnlich sein. Sie haben jedoch niemals die typischen achtstrahligen Polypen.
In der angehängten Galerie finden Sie Gesamt 50 Fotos!
Joachim Großkopf unterhält auch einen Internetshop für Technik und lebende Tiere.
Der Link dazu: http://www.grostar-aquaristik.de/
...demnächst folgt Teil II.
mit salzigen Grüßen von Joachim Großkopf
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