Krustenanemonen gehörten zu den ersten sessilen Wirbellosen, die für die Meeresaquaristik importiert wurden. In früheren Jahrzehnten kamen sie jedoch allenfalls in zwei bis drei Farbmorphen zu uns, meist bräunliche Zoanthus mit orangem oder gelbem Zentrum sowie giftgrüne Protopalythoa. Seither hat sich vieles geändert, und heute herrscht ein regelrechter Hype um die buntesten Varianten. Ein Artikel von Claude Schuhmacher
1985 importierte und verkaufte ich neben den sehr beliebten, einmalig grünen, wenn auch giftigen Protopalythoa vor allem die Gelben Krustenanemonen, die zwar auch heute noch allseits bekannt, aber immer noch nicht wissenschaftlich beschrieben sind.
An die ausgefallenen und extrem bunten Farbvarianten mit fantasievollen Namen wie die blauen „Polar Ice Caps“, die roten „Bali Cracker“ (beide aus Indonesien) oder „Cherry Mints“ aus Taiwan, die heute mehr oder weniger regelmäßig angeboten werden, war damals noch nicht zu denken.
Im folgenden sehen Sie einige besonders schöne Arten, allesamt aus dem Meerwasser-Lexikon, wo derzeit ca 250 Arten erfasst sind. Wir danken ganz besonders Cherrycorals und Claude Schuhmacher für die Verwendung der Fotos.
Selbiges gilt auch für Farbformen wie „Real Watermelon“ oder „Yellow Watermelon“ aus Vietnam, die zu meinen persönlichen Favoriten zählen. Da Aquarianer von solchen Tieren bis in die 2000er-Jahre bestenfalls träumen konnten, ist es eigentlich kein Wunder, dass die damals erhältlichen Krustenanemonen zwar in der Pionierzeit der Meeresaquaristik eine wichtige Rolle spielten, mit dem Aufkommen der Steinkorallen jedoch in ein Schattendasein zurückgedrängt wurden. Damals arbeitete ich noch als Angestellter in einem Großhandel für Meerestiere, und rückblickend kann ich unseren damaligen Umgang mit diesen Tieren nur als unbekümmert bis leichtsinnig beschreiben. Zwar wusste man schon grundsätzlich um die Giftigkeit von Krustenanemonen, aber dennoch zerteilten wir große Stöcke – um sie besser verkaufen zu können – meist auf recht rustikale Weise mit einem scharfen Messer oder mit Hammer und Meißel. Die heute üblichen präzisen Techniken zum Erzeugen von Ablegern waren uns damals noch fremd. Erstaunlicherweise kam es meines Wissens jedoch nie zu den heute leider vermehrt auftretenden Vergiftungen – vielleicht das Glück der Unwissenden.
Die aufgehende Sonne
Gezielt aufmerksam auf besonders farbige Krustenanemonen wurden Aquarianer und Aquaristikhandel ab ca. 1995. Ab dieser Zeit gelangten immer mehr bunte Zoanthus zu uns, zunächst meist noch als „Beisitzer“ auf Lebenden Steinen oder dem Substratgestein von Weichkorallen. Vor allem amerikanische Händler und Aquarianer entdeckten schnell das Potenzial der bunten Schätze aus Indonesien, und mit der üblichen Zeitverzögerung schwappte diese Welle auch zu uns nach Europa herüber. Ebenfalls aus den Vereinigten Staaten stammt die Idee, die unterschiedlichen Farbvarianten von Krustenanemonen mit wohlklingenden Fantasienamen zu versehen. Wirklich angekommen ist der Zoanthus-Trend in Europa aber erst ab dem Jahr 2003, als man begann, extrem farbenfrohe Exemplare entweder aus den USA oder direkt aus den Herkunftsländern zu importieren und Kolonieteile als Ableger zu verkaufen. Zwischen 1998 und 2002 konnte ich mich auf philippinischen Korallenfarmen in Vermehrungstechniken dieser kleinen Juwele üben und mein Wissen anschließend an andere Farmen weitergeben.
Der „Hype“ bricht aus
Ab ca. 2005 wurde aus dem Trend zur Pflege bunter Krustenanemonen langsam aber sicher ein handfester „Hype“. Sogenannte „Ultra-Varianten“ von Zoanthus und Palythoa gelangten über Hongkong, Taiwan und Vietnam zu uns nach Mitteleuropa. Da diese Varianten aber schwer zu bekommen und darum heiß begehrt waren, versuchten einige Aquarianer auch, fertige Ableger aus den USA zu importieren, wo diese Tiere bereits verbreiteter waren.
Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie ich in einer Keksdose die ersten „Real Watermelon Zoa“ von der amerikanischen Aquaristikmesse MACNA mitbrachte. Der Verkäufer staunte nicht schlecht, als ich faktisch seinen gesamten Bestand aufkaufte. Für besondere Exemplare musste man damals eben noch einige Mühen auf sich nehmen! Dennoch waren zu dieser Zeit auch schon einige Varianten direkt aus Fidschi, Tonga, der Karibik und aus Kenia erhältlich.
Aufgrund der Tatsache, dass Krustenanemonen prinzipiell eher pflegeleicht sind, kaum aufwendige Technik benötigen und auch in kleinen Aquarien gedeihen sowie in Bereichen, in denen z. B. für SPS-Korallen zu wenig Licht vorhanden ist, verwundert ihre Erfolgsgeschichte kaum. Durch das vermehrte Angebot in Onlineshops, die Krustenanemonen auch per Versand zum Aquarianer brachten, erreichten sie schnell immense Popularität – gleichzeitig stieg die Nachfrage nach immer ausgefalleneren Farben, und manch einer entwickelte regelrechte Sammelleidenschaft. Im Jahr 2005 begann ich damit, Zoanthus im größeren Maßstab zu züchten und bemühte mich, mithilfe spezieller Werkzeuge und durch Experimente mit gezielter Zufütterung, Standardverfahren für optimale Ergebnisse zu entwickeln. Dabei griff ich vor allem Ansätze aus den USA auf und versuchte, diese je nach Art anzupassen oder zu verbessern. Dabei musste ich auch feststellen, dass keineswegs alle Varianten von Zoanthus gleichermaßen pflegeleicht sind. Insbesondere aus den Subtropen und aus Indonesien importierte Tiere bereiteten zuweilen Schwierigkeiten, vor allem in Bezug auf bakterielle oder parasitäre Erkrankungen – ein Problem, auf das ich später näher eingehen möchte.
Krustenanemonen für jedes Aquarium?
Grundsätzlich sind Krustenanemonen für jedes Riffaquarium geeignet – beinahe unabhängig von der Größe und technischen Ausstattung. Gerade die robusteren Vertreter sind eine gute Wahl, um Stellen zu besiedeln, an denen andere Korallen nicht gut gedeihen würden. Beispiele sind Ablaufschächte, die man von Krustenanemonen regelrecht überziehen lassen kann, oder auch schattige Stellen, z. B. unterhalb großer Korallenstöcke. Auch die Vergesellschaftung mit anderen Aquarienpfleglingen ist in den meisten Fällen unkompliziert. Ob Krustenanemonen jedoch eine Bedrohung für andere Korallen darstellen, weil sie diese vernesseln könnten, oder ob es möglicherweise sogar umgekehrt ist, hängt beiderseits von der Art ab. Manche LPS oder SPS können z. B. Zoanthus heftig vernesseln, wohingegen sie selbst Opfer einer Nesselattacke von Palythoa-Arten oder der Gelben Krustenanemone werden können. Die Empfehlung „Krustenanemonen für jedes Riffaquarium“ muss jedoch zumindest in Bezug auf bestimmte „Ultra“-Zoanthus aus Japan oder Nord-Taiwan eingeschränkt werden. Diese sind oft sehr empfindlich und zeigen Probleme bei der Akklimatisierung an die in hiesigen Riffaquarien üblichen Bedingungen, da sie aus kühleren Gewässern stammen. Wer solche Tiere pflegen möchte, sollte auf möglichst niedrige Temperaturen (sofern mit dem übrigen Besatz vereinbar) sowie eher gedämpfte Beleuchtung achten.
Pflegegeheimnisse
Oft gestellt, aber nur schwer pauschal zu beantworten ist die Frage nach den optimalen Pflegebedingungen für Krustenanemonen. Prinzipiell lässt sich festhalten, dass möglichst stabile Wasserwerte mit niedrigen Nährstoffkonzentrationen eine Grundbedingung für den Pflege- und Vermehrungserfolg sind. Dennoch sind sie grundsätzlich auch bei höherer Nährstoffbelastung des Wassers haltbar. Dies bringt jedoch Nachteile mit sich: Erstens bilden die extrem bunten Zoanthus-Arten ihre Farben nur bei niedrigem Nährstoffniveau aus, und zweitens neigt eine bestimmte Protopalythoa-Art vor allem dann zur gefürchteten Massenvermehrung, wenn ein erhöhtes Nährstoffangebot besteht. Als empfehlenswert haben sich bei mir im Laufe der Jahre folgende Wasserparameter herausgestellt:
pH-Wert: 8,2–8,4
Kalzium: 400–440 mg/l
Magnesium: 1.250–1.350 mg/l
Karbonathärte: mindestens 7,5–9 °dH (Zoanthus vertragen niedrige Alkalinität nur schlecht)
Temperatur: 24–27 °C (mit Ausnahme von subtropischen Arten)
Nitrat: bis 10 mg/l
Phosphat: bis 0,08 mg/l
Auch wenn Krustenanemonen eigentlich unter diversen Beleuchtungsbedingungen gedeihen, gibt es doch eine nützliche Faustregel, um die Tiere ins richtige Licht zu rücken: Helle, sehr kräftig gefärbte Exemplare sollten mittelstark bis stark beleuchtet werden. Dunkle Farben weisen hingegen darauf hin, dass eher eine schwache, indirekte Beleuchtung zu guten Pflegeergebnissen führt. Dies ist vor allem wichtig, wenn die bei solchen Tieren oft vorhandenen Fluoreszenzeffekte zur Geltung kommen sollen. Dabei hilft vor allem ein blaulastiges Lichtspektrum, das besonders leicht und effizient mit LED-Beleuchtung erreicht werden kann, mit der ich in Bezug auf Krustenanemonen beste Erfahrungen gemacht habe.
Ebenfalls ein wichtiger Faktor für das langfristige Gedeihen von Krustenanemonen sind regelmäßige Teilwasserwechsel mit hochwertigen Salzen, möglichst ohne Kohlenstoffzusätze wie Biopolymere. Auch zu stark mit bestimmten Elementen angereichertes Meersalz, wie es für die Pflege von Steinkorallen immer mehr in Mode kommt, sollte gemieden werden. Bei nachlassender Leuchtkraft der Farben, wenn also tatsächlich ein Mangel besteht, sollte vielmehr gezielt mit Spurenelementlösungen gegengesteuert werden. Spektakuläre Ergebnisse können hier vor allem mit Präparaten erzielt werden, die Halogene enthalten. Bei der Strömung kommt es sehr darauf an, das richtige Maß zu finden, damit sich die Krustenanemonen langfristig wohlfühlen. Einerseits ist eine mittlere bis starke Strömung empfehlenswert, weil viele Tiere sehr leiden, wenn sich bei Strömungsmangel (oder zu wenig abwechslungsreicher Wasserbewegung) Detritus zwischen den Polypen ablagert. Andererseits kann zu starke (und zu direkte) Strömung dazu führen, dass die Krustenanemonen dann sich verkürzen oder als Schutzreaktion gar nicht mehr öffnen. Als Faustregel kann gelten, dass verkürzte Polypen auf zu starke Strömung hinweisen, während sehr langgestreckte, dünn werdende Polypen aus Strömungsmangel resultieren. Derselbe Effekt tritt bei zu starker Beleuchtung (verkürzte Polypen) und Lichtmangel (verlängerte Polypen) auf.
Füttern oder nicht?
Grundsätzlich müssen nur die wenigsten Krustenanemonen gefüttert werden – etwa die azooxanthellaten Arten. Dennoch empfehle ich eine Zufütterung auch bei den fotosynthetisch lebenden Vertretern. Wachstum und Farbenpracht können so in vielen Fällen noch gesteigert werden. Eine große Auswahl geeigneter feiner Staub- oder Frostfuttersorten hält der Handel mittlerweile bereit. Zur Fütterung genügt es jedoch, die Partikel im Wasser zu verteilen bzw. in die Strömung zu geben. Eine direkte Fütterung einzelner Polypen ist nicht nötig, und abgesehen von sehr großen Protoalythoa-Polypen oder bei der Vermehrung sehr empfindlicher, langsam wachsender Varianten auch nicht sinnvoll.
Was ist mit der Giftigkeit?
Sowohl Zoanthus als auch Palythoa sind giftig. Das muss man stets berücksichtigen, wenn man mit ihnen hantiert. Verletzungen der Polypen bei der Herstellung von Ablegern sollten vermieden werden, und grundsätzlich sollte man bei solchen Arbeiten zu Handschuhe und Schutzbrille greifen. Trotz mittlerweile tausender Importsendungen, die durch meine Hände gingen und bei denen sich der Kontakt mit Krustenanemonen-Schleimsekret nicht immer vermeiden ließ, habe ich selbst noch keinerlei Vergiftung erlebt. Allerdings achte ich auch konsequent darauf, die Hände nach dem Berühren dieser Tiere vor jedem Körperkontakt gründlich zu waschen. Insgesamt meine ich die Beobachtung gemacht zu haben, dass die Giftwirkung von Krustenanemonen heute wesentlich stärker ausgeprägt ist als in früheren Jahrzehnten. Dies würde auch das vermehrte Auftauchen entsprechender Problemfälle in den letzten Jahren erklären. Über die Ursachen kann man nur spekulieren, aber ich vermute, dass die heute sehr gute Versorgung mit hochwertigem Futter eine Rolle spielen könnte. Früher mangelte es den Nahrungspräparaten oft an essenziellen Fettsäuren, und möglicherweise lassen heutige Produkte manche Tiere so kräftig gedeihen (selbst wenn sie nur indirekt von der Fütterung anderer Korallen profitieren), dass sie auch ihr Fraßgift stärker ausbilden können. Allerdings könnte die Tatsache, dass aus früheren Jahrzehnten weitaus weniger Vergiftungsfälle bekannt sind, auch darauf zurückgehen, dass man seinerzeit manch eine plötzlich auftretende, vermeintliche „Sommergrippe“, die tatsächlich aber auf das Einatmen eines Palytoxin-haltigen Aerosols zurückgeht, nicht mit den giftigen Aquarienpfleglingen in Verbindung gebracht hat. Für den Aquarianer relevant ist sicher vor allem die Information, dass Zoanthus-Arten weniger giftig sind als die Verwandten der Gattungen Palythoa und Protopalythoa, die üblicherweise für die gefürchteten Vergiftungen verantwortlich sind.
Tipps und Tricks zur Vermehrung
Für die Vermehrung von Krustenanemonen gibt es unterschiedliche Methoden, die ich im Folgenden vorstellen möchte. Im Wesentlichen hängt die Vorgehensweise davon ab, ob der Mutterstock auf einem Substratstein festgewachsen ist oder nicht. Die wichtigste Grundregel für die (langfristig) erfolgreiche Zucht ist, prinzipiell nur gesunde und gutes Wachstum zeigende Tiere zu fragmentieren. Ebenso wichtig ist es bei allen Arten und Farbvarianten, die Ableger so lange im Ursprungswasser zu belassen, bis die beinahe unweigerlich entstehenden Schnittverletzungen vergeheilt sind. Frisch geschnittene Ableger sind extrem anfällig gegenüber bakteriellen Infektionen, und deshalb sollte direkt nach der Fragmentierung kein Umsetzen oder eine sonstige Millieuänderung erfolgen. Die Praxis, frische Ableger von Krustenanemonen zu verkaufen, ist unseriös, denn oft hat der Kunde anschließend unter den neu erworbenen Pfleglingen mit sehr hohen Ausfallraten zu kämpfen. Erwerben Sie also besser keine „frischen“ Ableger. Anhand des Bewuchses auf dem Substratstein kann man die Verweildauer im Becken oft gut abschätzen. Allerdings sollten Züchter auch darauf achten, die Klebefläche von Substratsteinen, die bereits im Aquarium waren, vor dem „Bepflanzen“ gründlich von Schwämmen und anderem Aufwuchs zu reinigen, damit es unter der Klebung später nicht zu Fäulnis kommen kann. Sauberes Arbeiten ist hier sehr wichtig. Bei jeglicher Fragmentierungsarbeit mit Krustenanemonen sollten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit in einem gut durchlüfteten Raum sowie mit Schutzbrille, Atemschutz und langen Handschuhen arbeiten.
1. Fragmentierung – Krustenanemonen auf Stein
Bei dieser Methode wird ein mit Krustenanemonen bewachsener Substratstein in kleine Fragmente zerteilt. Am besten verwendet man hierzu spezielle Diamantbandsägen oder Diamantsägeblätter (z. B. von „Dremel“). Die flache, gemeinsame Leibesmasse der Krustenanemonen am Substrat wird jedoch zuvor mit einem Skalpell eingeschnitten, damit es beim Durchtrennen des Gesteins nicht zerreißt, was schlechter heilende Wunden erzeugen würde. Vor dem Schnitt sollte das Tier gründlich abgespült werden, um störenden Detritus zu entfernen. Es ist wichtig, dass alle Polypen vollständig eingezogen sind, sodass man zielgenau lediglich das verbindende Basisgewebe, nicht aber die Polypen selbst durchtrennt. Da bei dieser Methode der Ableger ja bereits auf Substratgestein festgewachsen ist, genügt es, ihn mithilfe von handelsüblichem Korallenkleber (wie für Steinkorallen) auf einem kleinen Substratstein festzukleben. Gerade für die professionelle Anwendung eignen sich hier Ablegersteine mit kleinem Stift, mit dem sie zur Aufzucht bequem in Ablegerregale gesteckt werden können. Vor dem Verkleben im Kundenaquarium kann dieser schließlich einfach abgebrochen werden. Das gute An- bzw. Weiterwachsen nach dem Zerteilen kann durch Zugabe eines Spurenelementpräparats mit Halogenkomplex gefördert werden.
2. Zerteilen – lose Krustenanemonen
„Ultra“-Zoanthus aus Taiwan, Hongkong oder der Karibik werden oft lose, also ohne Substratgestein importiert. Auch diese Tiere können nach guter Eingewöhnung zu Ablegern zerteilt werden. Da kein Gestein durchtrennt werden muss, genügt hier der Einsatz des Skalpells. Dieses sollte sehr scharf sein und muss bei häufigem Einsatz regelmäßig ausgetauscht werden, da das Meerwasser die Klinge rasch angreift und stumpf macht. Lose Ableger müssen mithilfe eines Gel-Korallenklebers auf einem Ablegerstein befestigt werden. Dessen Wirkung hält jedoch maximal sechs Monate an – bis dahin muss die Krustenanemone also aus eigener Kraft festgewachsen sein, was bei optimalen Bedingungen aber mühelos gelingt.
3. Aufwachsen lassen
Dies ist die einfachste Art der Vermehrung von Krustenanemonen. Hierzu legt man einen kleinen Ablegerstein einfach direkt an oder sogar auf bzw. in einen größeren Mutterstock. Zeigt dieser gutes Wachstum, werden bald einzelne Polypen auf den kleinen Stein heraufwachsen. Ist dies geschehen, kann die noch bestehende Verbindung zum Muttertier einfach mit einem Skalpell gekappt werden.
Professionelle Aquakultur
Insgesamt haben Krustenanemonen sehr großes Potenzial für die professionelle Aquakultur, da mit systematischer Vorgehensweise und z. B. auch gezielter Zufütterung in relativ kurzer Zeit sehr große Mengen neuer Polypen bzw. Ableger erzeugt werden können. Bei „ExtremeCorals“ produzieren wir derzeit mehrere Hundert Ableger monatlich, die wir an den Einzelhandel abgeben. Die hohe Nachfrage wird dabei sicher vor allem durch den Trend zum Nano-Riffaquarium stimuliert, für das sie einen idealen Besatz darstellen. Leider widmen sich noch nicht viele professionelle Korallenzüchter intensiv den Krustenanemonen, sondern konzentrieren sich bislang auf SPS und LPS – aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Aquaristikfachhandel den Wert dieser Tiere auf breiter Front erkennt.
Krankheiten und Parasiten
Wie viele Korallen sind auch Krustenanemonen recht empfindlich gegenüber bakteriellen Infektionen und Parasitenbefall. Auf ein besonderes Phänomen, das bislang unter dem mysteriösen Namen „White Pox“ bekannt, aber nicht näher untersucht war, berichtet Daniel Knop in einem anderen Beitrag dieser Ausgabe. Über die übrigen, häufig anzutreffenden Krankheitsbilder und Parasiten möchte ich hier einen kurzen Überblick geben:
Parasitäre Schnecken (z. B. Heliacus)
Verschiedene parasitierende Schneckenarten (Gehäuse- und Nacktschnecken) finden sich vor allem in frisch importierten Stöcken. Sie lassen sich oftmals recht leicht durch Absammeln entfernen (v. a. Gehäuseschnecken) oder durch das Einsetzen von Lippfischen (z. B. Halichoeres cosmetus, Pseudocheilinus hexataenia) dezimieren. Vor dem Einsetzen neuer Krustenanemonen in ein Riffaquarium bietet es sich an, die Tiere einige Zeit unter Quarantäne zu halten, um etwaige Parasiten aufspüren und entfernen zu können – oder man badet sie präventiv in entsprechenden Präparaten (z. B. „Pest Control“). Die weit verbreiteten und gut bekannten Heliacus-Schnecken lassen sich leicht anhand ihrer Gehäuseform und am kegelförmigen Verschluss (Operculum) erkennen. Nacktschnecken, die oft perfekt mimetisch an die jeweilige Krustenanemone angepasst sind, lassen sich wesentlich schwieriger aufspüren. Hier vertraut man am besten auf den Instinkt eines fleißigen Lippfisches.
„Zoa Spider“
Hierbei handelt es sich um Asselspinnen (Pantopoden), also keine echten Spinnen, wie der im englischen Sprachraum geprägte Populärname vermuten lassen könnte. Wenige Vertreter der großen Klasse Asselspinnen ernähren sich vom Gewebe von Krustenanemonen, und sie müssen unbedingt vor dem Einsetzen ins Aquarium entdeckt und entfernt werden, weil sie sich dort vermehren und großen Schaden anrichten können. Am sichersten ist eine dreimonatige Quarantäne mit mehreren Anti-Parasiten-Bädern, die bereits im Fachhandel erfolgen sollte.
„White Fungus“
Diese Erkrankung äußert sich durch zusammengezogene Polypen, die von einem weißen, übel riechenden Schleim überzogen werden und sich schließlich auflösen. Bei ersten Anzeichen sollten die befallenen Teile der Krustenanemone abgeschnitten und entsorgt werden (Sicherheitsvorkehrungen beachten!). Auch wenn der Populärname der Krankheit einen Pilz als Schuldigen vermuten lässt, handelt es sich tatsächlich um einen Bakterienbefall, der sich meist infolge von Verletzung oder Stress aufgrund von zu hoher Temperatur, Salinität oder Sauerstoffmangel während des Transports entwickelt. Die große Gefahr liegt darin, dass sich die Infektion rasch über das gesamte Tier ausbreitet, wenn befallene Stellen nicht sofort entfernt werden. In vielen Fällen breitet sich der Bakterienbefall sogar auf zuvor gesunde Exemplare im selben Aquarium aus. Bei einem massiven Befall kann mit Kanamycin oder Amoxicillin behandelt werden. In jedem Fall müssen bereits entstandene Faulstellen entfernt werden, und anschließend benötigt die befallene Polypenkolonie einen Quarantäneaufenthalt in möglichst etwas kühlerem (21–23 °C), sauerstoffreichen Wasser bei nur schwacher Beleuchtung.
Kleine Sensibelchen
Obwohl eigentlich sehr pflegeleicht, reagieren Krustenanemonen schnell auf Veränderungen im Aquarienmilieu. Bereits der Wechsel der Salzsorte oder leicht schwankende Wasserwerte können zum längeren Geschlossenbleiben der Polypen führen. Dies ist nicht immer ein Grund zur Sorge, denn von kleinen Irritationen erholen sich die Tiere meist rasch. Wird eine Krustenanemone aber durch ständige Störungen zum länger andauernden Schließen der Polypen gezwungen, kann dies zum Absterben führen. Dazu kann es etwa kommen, wenn die Krustenanemone permanent von Glasrosen oder anderen Nesseltieren gereizt wird und diesem Einfluss nicht entkommen kann. Selbiges gilt für Fische, die ständig an den Polypen zupfen. In solchen Fällen muss der Störenfried unbedingt entfernt werden. Bei zu hohen Temperaturen oder zu schnellen Nährstoffreduktionen kann es vorkommen, dass die Krustenanemonen ausbleichen, wie man es auch von Steinkorallen kennt. Da sie einerseits relativ robust sind, Unwohlsein andererseits aber sehr schnell äußerlich zeigen, sind Krustenanemonen ideale „Indikatortiere“, um den Aquarianer frühzeitig auf Milieuveränderungen in seinem Riffaquarium hinzuweisen.
Ihr
Claude Schuhmacher
Anmerkdung der Redakltion: Wir danken ganz besonders Claude Schuhmacher für diesen tollen Artikel, der sehr viel Wissen zu den Krustenanemonen, Vermehrung sowie Krankheiten beeinhaltet. Dieser Artikel wurde bereits im Fachmagazin Koralle veröffentlicht.
Salzige Grüße vom Korallenriff Team
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