Menschenfresser Zoas - Zoanthus gigantus und Zoanthus solanderi

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7. Kleine Kolonie grün-violeter Z. solanderi (Purple People Eater) zwischen Zoanthus sociatus (blau), der Feuerkoralle Millepora complanata, der Makroalge Caulerpa racemosa (?), und dem Schwamm Iotrochota birotulata. Karibische Küste Kolumbiens, Foto: Till Deuss

Aus dem Korallenriff Magazin Ausgabe 1, April 2020 Krustenanemonen (Ordnung Zoantharia) sind sowohl bei erfahrenen Aquarianern als auch bei Anfängern äußerst beliebt. Die kleinen farbenprächtigen Polypen kommen in schier unendlicher Vielfalt an Farbvarianten vor und lassen sich in der Regel sehr einfach im Aquarium halten und vermehren.

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Menschenfresser Zoas - Zoanthus gigantus und Zoanthus solanderi

von Till Deuss

Einleitung

Krustenanemonen (Ordnung Zoantharia) sind sowohl bei erfahrenen Aquarianern als auch bei Anfängern äußerst beliebt. Die kleinen farbenprächtigen Polypen kommen in schier unendlicher Vielfalt an Farbvarianten vor und lassen sich in der Regel sehr einfach im Aquarium halten und vermehren. Auf Art- oder sogar Gattungsebene sind Krustenanemonen allerdings, nicht nur für Aquarianer, oft nur schwer zu identifizieren. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Eine wesentlicher Faktor ist die Möglichkeit das Individuen mit dem gleichem Genotyp (Erbinformationen), in unterschiedlichen Lebensräumen unterschiedliche Merkmale ausprägen, was man wissenschaftlich als hohe phänotypische Plastizität bezeichnet. Dabei handelt es sich um die Eigenschaft von Individuen, verschiedene Formen in Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen zu bilden. Die phänotypische Plastizität hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass ein und dieselbe Art durch ihre unterschiedlichen Erscheinungsbilder als verschiedene Arten angesehen und beschrieben wurden. Zusätzlich werden ständig neue Krustenanemonen entdeckt, die auf eine sichere wissenschaftliche Beschreibung warten.

Die Ordnung Zoantharia wurde in der Vergangenheit auch von der Wissenschaft lange vernachlässigt. Häufig fehlen Taxonomen. Glücklicherweise hat sich der Forschungsstand in den letzten Jahrzehnten zunehmend erweitert. Für den Laien ist die Taxonomie der Gruppe nach wie vor nur schwer überschaubar. Die Fülle an mittlerweile im Handel geführten Fantasienamen trägt nicht zur Verbesserung der Situation bei. Da einige Krustenanemonen das hochgiftige Palytoxin enthalten können, ist eine gewisse Artenkenntnis aber auch für den Aquarianer wichtig.

Menschenfresser Zoas

Die wahrscheinlich erste Krustenanemone und eine der ersten „Korallen“ überhaupt mit einem der heute so verbreiteten exotischen Handelsnamen ist die sogenannte Purple People Eater (violette Menschenfresser), eine seltene Farbvariante von Zoanthus solanderi (Foto 1). Mit ihren großen dunkel-violetten Polypen, neon-grünem Mundschlitz und ebenso gefärbten Tentakeln ist sie zweifelslos eine der schönsten aller Zoantharia. Bekannt wurde diese spektakuläre Farbvariante durch den in einschlägigen Internetforen als Blade Perun bekannten US Amerikaner, der die Krustenanemone nach dem Lied „The Purple People Eater“ von Sheb Wooley benannte und im Handel verbreitete. Der Name setzte sich durch, so dass heute auch andere Morphen von Z. solanderi und Z. gigantus im Handel als People Eater oder People Eater Palys bezeichnet werden. Der Zusatz „Paly“ beruht auf Verwechslung mit der Gattung Palythoa, und sollte daher nicht verwendet werden.

1. die berühmten Purple People Eater Zoas. Foto: Till Deuss

Zoanthus oder Palythoa

Viele Zoanthus Arten und insbesondere die beiden hier behandelten Arten werden häufig mit der Gattung Palythoa (bzw. Protopalythoa) verwechselt (Foto 2 und 3). Neben anatomischen Details, die für den durchschnittlichen Aquarianer nur schwer nachvollziehen sind, unterscheiden sich Vertreter der Gattung Zoanthus von Palythoa/Protopalythoa dadurch, das letztere Sedimente wie z.B. Sandkörner und Detritus in ihr Gewebe einbauen (Protopalythoa wird vorrausichtlich in Kürze nicht mehr als gültige Gattung angesehen). Palythoa fühlen sich daher im Vergleich zu Zoanthus fester und auch rauer an, außerdem geben sie in der Regel viel mehr Schleim ab als Zoanthus spp.. Mit geübtem Blick kann man die meisten Palythoa recht schnell und eindeutig von Zoanthus unterscheiden. Die einzigen bunten Palythoa die meines Wissens nach regelmäßig im Aquarienhandel auftauchen sind die als „Purple Death Paly“, „Nuclear Death Paly“ bekannten Morphen (Palythoa sp.), Palythoa grandis (die mit bis zu 35 mm Durchmesser größte aller bekannten Zoantharia), und die am häufigsten in Aquarien zu sehende gift-grüne Palythoa mutuki (Foto 3).

2. Diese grünlich braune Variante von Zoanthus gigantus erinnert an die Gattung Palythoa, Moorea, Französisch Polynesien Foto Till Deuss

3. Diese grünlich braune Variante von Palythoa mutuki ist vielen Aquarianern bekannt, die kleineren gelb-grünen und violetten Polypen sind Z. sansibaricus Moorea, Französisch Polynesien Foto Till Deuss


Zoanthus gigantus und Z. solanderi

Die pazifische Zoanthus gigantus und deren atlantische Schwesterart Z. solanderi können von anderen Arten der Gattung Zoanthus an den bis zu 25 mm Durchmesser und 40 mm Höhe (oder mehr) großen Polypen, einem in den meisten Fällen neon-grünem Mund, und den charakteristischen hellen Streifen auf den Außenseiten der Polypen (Foto 3,4 und 6) leicht unterschieden werden. Die mehr oder weniger stark ausgeprägten weißen, oder hellbeigen Streifen verlaufen vertikal auf der Außenseite der Polypen von der Mundscheibe in etwa bis zum breitesten Bereich der Polypen. Die Polypen sind im Bereich der Mundscheibe üblicherweise doppelt so dick wie an der Basis. Ein weiteres Merkmal der beiden Arten ist ein nur schwach ausgebildetes Coenenchyme (gemeinsames Gewebe zwischen den Polypen), das heißt die Kolonien sind über relativ dünne Ausläufer miteinander verbunden und erscheinen daher weniger dicht als viele andere Zoanthus und Palythoa Arten (im starken Gegensatz dazu stehen zum Beispiel die Matten bildenden „Vice Zoas“ Z. aff. pulchellus und deren pazifischen Schwesternart Z. kuroshio oder auch die Kolonien von Palythoacaribaeorum und P. tuberculosa). Untereinander sind die beiden Schwesterarten Z. gigantus und Z. solanderi anhand äußerlich erkennbarer Merkmale allerdings nicht voneinander zu unterscheiden. Um welche der beiden Arten es sich handelt, kann der Aquarianer allenfalls über die Herkunft der erworbenen Tiere und der im Handel erhältlichen Farbmorphen ermitteln.

4. Z. gigantus Moorea, Französisch Polynesien Foto Till Deuss


Verbreitung und Lebensweise

Z. gigantus ist im tropischen Pazifik weit verbreitet und wird im Atlantik durch Z. solanderi ersetzt. Die beiden Arten bewohnen Felsküsten und Korallenriffe in der oberen und mittleren Gezeitenzone bis etwa 6 m Tiefe und formen Kolonien von einigen dutzend, seltener auch bis zu mehreren hundert Polypen, zwischen abgestorbenen Korallen und Steinen. Das Coenenchym liegt dabei oft abgeschattet zwischen Spalten oder unter einer dünnen Sandschicht, während die Polypen zum Licht ausgerichtet sind. Wie die meisten anderen Zoantharia in tropischen, flachen Gewässern, ernähren sich Zoanthus spp. hauptsächlich von den Produkten ihrer Zooxanthellen, daneben werden organische Sustanzen aus dem Wasser aufgenommen und zum Teil auch Plankton gefressen. Obwohl sie gelegentlich lokal häufig auftreten können, sind People Eater im Vergleich zu anderen Zoanthus spp. relativ selten. In den mir bekannten Riffen des Süd- und Westpazifiks, der Karibik und des tropischen Ostpazifik kommen auf viele hundert Kolonien von Zoanthus spp. vielleicht eine oder zwei Kolonien von Z. solanderi bzw. Z. gigantus. Im Roten Meer konnte ich keine Tiere finden. Sie sind von dort bislang auch nicht nachgewiesen worden.

5. Eine große Kolonie von Z. gigantus in der Lagune von Moorea, Französisch Polynesien. Man beachte die geschlossenen (hellen) Polypen im vorderen Bereich. Foto Till Deuss

6. Die selbe Kolonie von Z.gigantus. Bei der weißen Sprenkelung der Oralscheiben der individuellen Polypen handelt es sich vermutlich um Schutzpigmente, die von den einzelnen Polypen je nach Lichtbedingungen unterschiedlich stark ausgeprägt werden, Foto: Till Deuss


7. Kleine Kolonie grün-violeter Z. solanderi (Purple People Eater) zwischen Zoanthus sociatus (blau), der Feuerkoralle Millepora complanata, der Makroalge Caulerpa racemosa (?), und dem Schwamm Iotrochota birotulata. Karibische Küste Kolumbiens, Foto: Till Deuss


8: Smaragdgrüne Zoanthus gigantus in etwa zwei Meter Wassertiefe. Man beachte die weissen Markierungen und Streifen auf den geschlossenen Polypen links unten. Insel Coiba, Tropischer Ostpazifik, Panama. Foto: Till Deuss

Haltung im Aquarium

Zoanthus gigantus und Z. solanderi eigen sich ausgezeichnet für Aquarien aller Größen. Beide Arten unterscheiden sich nicht in ihren Ansprüchen und sind kaum krankheitsanfällig und resistent gegen die berüchtigten „Zoa-Pox“, (eine Krankheit die manch andere Zoanthus befällt und oft zum Verlust der Kolonien führt). Strömung und Beleuchtung sollten gemäß der natürlichen Lebensweise mittel bis stark ausfallen. Wie auch andere Zoanthus variiert die Erscheinung der Polypen je nach Licht- und Strömungsverhältnissen. Generell gilt je weniger Licht desto länger die Hälse der Polypen und desto größer der Durchmesser der Oralscheibe. Gut eingewöhnte Tiere sind generell sehr anpassungsfähig und lassen sich auch vom Anfänger sehr leicht halten und vemehren. People Eater Zoas wachsen relativ langsam, gelegentliche Fütterung beschleunigt das Wachstum.


Toxizität

Palytoxin (PTX) ist eines der stärksten bekannten natürlichen Toxine und sollte mittlerweile jedem Meerwasseraquarianer bekannt sein. PTX wurde zuerst aus Palythoa toxica in Hawaii isoliert und seit dem auch bei einigen anderen Palythoa Arten (P. vestitus in Hawaii, P. mammilosa aus Australien, P. caribaeorum aus dem Atlantik, P. tuberculosa und P. aff. margaritae aus Japan) nachgewiesen. Das Gift wird nicht von den Krustenanemonen selbst, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach von assoziierten Bakterien oder Dinoflagellaten produziert. PTX kommt auch in potentiell giftigen Palythoa nicht grundsätzlich, sondern je nach Umweltbedingungen oder Jahreszeit in schwankenden Konzentrationen vor. In einer neueren Studie war das Gift in 65,6% der Proben von P. tuberculosa enthalten. Da sich PTX in der Nahrungskette anreichert, können auch andere Meerestiere wie zum Beispiel bestimmte Krebstiere, Mollusken, Stachelhäuter und Fische PTX enthalten.

Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass Palytoxin auch in Zoanthus spp. vorkommt. Dies ist nach aktuellen Erkenntnissen aber anscheinend nicht der Fall. So wurden in einer Studie von 2016 zahlreiche Rifforganismen auf PTX untersucht und dabei ausschließlich in P. tuberculosa und keinerder anderen Arten, wie zum Beispiel Palythoa mutuki, Zoanthus gigantus, Z. sansibaricus und Z. Kuroshio , nachgewiesen (Aratake et. al 2016). Die Methoden mit denen PTX in der Vergangenheit bei Zoanthus und anderen Meerestieren nachgewiesen wurden, gelten als überholt. Auch wenn Zoanthus spp. allem Anschein nach kein PTX enthalten und als nicht giftig oder eher schwach giftig gelten, besteht noch viel Forschungsbedarf. Es ist nicht auszuschließen, dass PTX oder andere Gifte entdeckt werden. Bei sachgemäßem Umgang mit den Tieren besteht aber kaum Gefahr. Bekanntlich giftige und zudem farblich wenig attraktive Arten von Palythoa würde ich jedoch gegebenenfalls und unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen (wie Handschuhe, Schutzbrille und Atemschutz) aus dem Aquarium entfernen und an deren Stelle zum Beispiel eine People Eater Zoa ansiedeln.

9. Zoanthus gigantus (rot) und die viel kleineren Polypen von Zoanthus sansibaricus (grün-weiß) im Flachwasser der Lagune von Moorea, Französisch Polynesien. Foto: Till Deuss

10. Grüne People Eater Zoas (Z. gigantus) und einige Polypen der viel kleineren Zoanthus sansibaricus (links unten) in Moorea, Französischen Polynesien. Foto: Till Deuss

Fazit und Schluss

Die im Handel als People Eater bekannten Zoanthus gigantus und Zoanthus solanderi sind im Aquarium sehr gut haltbar und auch für Anfänger bestens geeignet. Die Gefahr der Giftigkeit ist meines Erachtens als eher gering einzuschätzen. Es bleibt abzuwarten, welche neuen Farbvarianten und phantasievollen Handelsnamen dieser exklusiven Zoas in Zukunft in der Aquaristik auftauchen werden.

Danksagung

Vielen Dank an Dr. James Reimer und Maria Eduarda Alves für die Untersuchung der Proben.




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robertbaur

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