Robert Ripberger berichtet hier von einem echt heftigen Erlebnis mit einem schwerst verletzten Fuchsgesicht. Eine Geschichte die letzlich Gut ausging und uns Aquarianern wieder mal zeigt, dass man nicht zu schnell aufgeben sollte.
Kleine Wunder – es gibt sie doch!
Am 23. Juli 2011 erlebte ich so etwas wie den Super-Gau für Meerwasser-Aquarianer. Vor meinem 1.600 Liter Aquarium fiel mir eine kleine Wasserlache auf und ich dachte zuerst, unser Hund hätte seine gute Erziehung vergessen. Doch bald wurde zur Gewissheit, dass unser Aquarium (2 1/2 Jahre alt) undicht war.
Es folgte eine Höllenaktion und ich war mehrfach drauf und dran, alles hinzuschmeißen. Nach der völligen Entleerung des Beckens war klar, dass zwischen der Boden- und der Heckscheibe die Siliconnaht eine winzige Undichtigkeit aufwies. Das Problem wurde durch das Einkleben einer 2. Bodenscheibe auf die vorhandene behoben.
Nach einer Woche Schwerstarbeit konnte ich das Becken wieder einräumen und sämtliche Tiere, die auf verschiedene Notbehälter verteilt waren, wieder ins Aquarium einbringen. Leider haben die Aktion mein Flammen-Zwergkaiserpaar und mein großes Fuchsgesicht (Siganus vulpinus) nicht überlebt.
Da mein 300 Liter Technikbecken, das separat im Untergeschoß steht, während der ganzen Zeit weiterbetreiben wurde, pendelte sich das Gleichgewicht im Schaubecken nach dem Anschluss an den Wasserkreislauf rasch wieder ein. Meinen Siganus vulpinus hatte ich als optimalen Algenfresser kennengelernt und wollte deshalb auch möglichst bald wieder ein Fuchsgesicht pflegen. So erstand ich am 10. September ein wunderschönes Exemplar des Andamanen Fuchsgesichtes ( Siganus magnificus ). Das Tier machte mir gleich viel Freude, es fraß problemlos und zeigte sich sehr zutraulich. Allerdings wurde er immer öfter vom größeren meiner beiden Paletten-Doktorfische attackiert. Ich machte mir darüber nicht viel Gedanken, zumal er tapfer seine Rückenstacheln zeigte und sich so den Doc vom Leibe hielt.
Am Montag, 19.09., sah ich frühmorgens mein Fuchsgesicht noch munter umher schwimmen. Als er mittags nicht zur Fütterung erschien, machte ich mir erstmals Gedanken. Ich suchte das Becken ab und fand ihn völlig apathisch unter einem Steinaufbau. Es schien so, als ob ihn eine vollständige Lähmung erfasste und ich gehe davon aus, dass er von meinem großen Paletten-Doc eine Skalpell-Verletzung abbekommen hat.
Ohne viel Mühe konnte ich ihn heraus fangen und ins Technikbecken überführen. Dieses hat eine große Hauptkammer, in der ein schöner Caulerpa-Bestand vorhanden ist. Die Beleuchtung erfolgt per Zeitschaltung über zwei Leuchtstoffröhren. Dort verschlechterte sich sein Zustand zusehends, kurz vor dem Erlöschen der Beleuchtung, gegen 22.00 Uhr, lag er auf dem Rücken im Caulerpa-Bestand und zeigte kaum noch Lebenszeichen. Ich ging fest davon aus, dass er den nächsten Morgen nicht mehr erlebt.
Auch eine Internet-Recherche nach den Folgen von Skalpell-Verletzungen durch Doktorfische, machte mir wenig Mut. Demnach sterben verletzte Tiere immer, zumal der Paletten-Doktorfisch (Paracanthurus hepatus) über Giftdrüsen verfügt.
Als ich am Morgen (20.09.) nach ihm sah dachte ich zuerst – „das war`s“ und griff zum Käscher. Beim Herausfangen bemerkte ich aber, dass sich die Kiemen noch bewegten, er „atmete“ noch schwach, zeigte aber sonst keine Vitalfunktionen mehr. Trotzdem entließ ich ihn zurück ins Becken, wo er in Seitenlage im Caulerpa-Bestand liegen blieb. Auch am Abend war sein Zustand unverändert, er lag weiterhin in Seiten- oder Rückenlage am Boden des Beckens und zeigte unverändert nur schwache Kiemenbewegungen.
Was nun folgte ist die Chronologie eines kleinen Wunders, das sich in Kurzform so zugetragen hat:
• 21.09. – Die Kiemenbewegungen sind etwas schneller, die Brustflossen zeigen mitunter leichte Bewegung, ansonsten Seiten- oder Rückenlage. Auffallend war, dass sich auch die Augen sofort bewegten, wenn ich mich vor dem Becken bewegte. Offensichtlich nahm er Bewegungen wahr, schien aber ansonsten völlig gelähmt zu sein.
• 22.09. – Sehr schnelle Kiemenbewegungen und mitunter leichte Bewegung der Brustflossen. Zum ersten Mal nehme ich ihn in die linke Hand und verabreiche ihm mit der rechten Hand mittels einer Pipette ein Futtergemisch aus zerkleinerten Algenblättern, Banane und Lobstereiern, das ich mit Lipovit und Korvimin ZT angereichert hatte. Er nahm davon definitiv kleine Mengen auf.
• 23.09. - Bewegt sich erstmals wieder mit taumelnden und drehenden Bewegungen, die nicht als Schwimmen bezeichnet werden konnten. Führe nun zweimal täglich die besagte Fütterung durch.
• 24.09. bis 02.10. – Keine grundlegenden Veränderung. Durch die manchmal krampfartigen Schwimmversuche in Rückenlage hat sich im Nackenbereich eine große Wunde entwickelt, die Oberseite der Schwanzflosse ist auch stark in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt macht das Tierchen einen erbärmlichen Eindruck. Mehr als einmal stelle ich mir die Frage, ob ich ihn nicht erlösen solle. Auch in der Familie wird unser Patient zum Diskussionsstoff. Meine Frau überzeugt mich, es weiter zu versuchen. Also füttere ich weiter 2 – 3 mal täglich den besagten Futterbrei und betupfe die Verletzungen mit Rivanol-Lösung.
• 03.10. – Er schwimmt erstmals wieder kleine Strecken, kippt dabei aber bald kopfüber nach vorn. Bis zum 06.10. ändert sich an dem Zustand wenig, es gibt eher Rückschritte. Ich füttere in der beschriebenen Weise weiter und versorgte die Wundstellen. Allerdings fällt mir auf, dass er während der Fütterung in meiner Hand wieder mehr Aktivität zeigt. An die Futtergaben scheint er sich zwischenzeitlich gewöhnt zu haben. Sobald ich mit der Pipette in Richtung seines Kopfes gehe, sperrt er sein Mäulchen auf und schlabbert eifrig den Futterbrei. Sobald er genug hat, spuckt er das Futter aus.
• 06.10. – Nach über 2 Wochen schwimmt er erstmals wieder durchs ganze Becken und knabbert an den Rotalgen, die an der Rückscheibe wachsen. Ich freue mich riesig, der Rest der Familie ebenfalls. Unser „Fuchsi“, wie wir ihn zwischenzeitlich nennen, wird zum Familienstar.
• 07./08.10. – Die erhoffte rasche Erholung tritt nicht ein, es gibt eher wieder leichte Rückschritte. Die täglichen Fütterungen führe ich wie gehabt weiter.
• 09.10 – 11.10. – Es sind langsame Fortschritte feststellbar. Immer öfter schwimmt er durchs Becken und knabbert an den Rot- und Kugelalgen.
• 12.10. – Er macht große Fortschritte und entwickelt immer mehr Appetit, fällt aber immer noch oft in Seitenlage.
• 13.10. – Frisst wieder Trockenfutter und zerkleinerte Algenblätter, die ich mit Lipovit und Korvimin ZT anreichere.
• 14./15.10. – Unser Patient erholt sich immer mehr und entwickelt einen gesunden Appetit. Zu gut 90% schwimmt er wieder normal und taumelt nur noch, wenn er sich beim Fressen zu sehr vorausgabt.
• 16.10. – „Fuchsi“ ist wieder der Alte und hat sämtliche Torturen überstanden. Ich bin jedes Mal glücklich, wenn ich vor dem Becken stehe und er sofort bettelnd angeschwommen kommt.
Mit mir freut sich meine ganze Familie über dieses kleine Wunder und ich bin jedes Mal wenn ich ihn sehe froh und dankbar, dass ich ihn nicht aufgegeben habe. Es war auch sehr beeindruckend, wie das Tierchen selbst um sein Leben gekämpft hat.
Vielleicht veranlasst diese Geschichte andere Aquarianer dazu, in ähnlichen Situationen nicht zu schnell aufzugeben.
Ob ich unseren Star jemals wieder ins Schaubecken zurück setzen kann weiß ich noch nicht. Vielleicht hat schon jemand eine ähnliche Situation erlebt und weiß mir einen Rat.
Anmerkung der Redaktion:
Seit Dezember 2011 schwimmt der Fuchs wieder im Gemeinschaftsaquarium. Daher möchten wir Ihnen die zwei Fotos dazu nicht vorenthalten.
Robert Ripberger
Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?
Damit Sie selbst etwas schreiben können, müssen Sie sich vorher anmelden.