Eigenarten des weit verbreiteten Putzerlippfisches Labroides dimidiatus von Frank Diehl und Robert Baur-Kruppas im Juni 2004
Der Putzerlippfisch Labroides dimidiatus,(Valenciennes, 1839)
Allgemeines:
Puterzlippfische der Gattung Labroides betreiben im Meer richtige Putzstationen die in der Regel an einem festen Platz stattfinden. Dorthin kommen andere Fische, teils sogar weit grössere Fische die sich dann bereitwillig von dem kleinen Lippfisch putzen lassen.
Was heisst eigentlich putzen?
Das wird sich ein Neueinsteiger fragen, der erfahrene Aquarianer der sich mit der Thematik beschäftigt weiss es natürlich. Putzerlippfische leben zum Teil von dem was sie auf der Haut ihres Putzkunden finden und dann fressen. Zum Grossteil sind das Hautteile, Ektoparasiten oder sonstige auf der Haut lebende Parasiten. Die Putztätikeit geht sogar so weit das er in das geöffnete Maul schwimmt oder unter dem Kiemendeckel seines Putzkunden. Wo andere Fische dieser Grösse gefressen werden halten hier alle Fische still und lassen sich die Parasiten vom Körper entfernen. Ein schönes Schauspiel, vor allem dann wenn ein kleiner Putzerlippfisch in ein Maul schwimmt das 10 mal so gross ist wie er selbst. Manchmals sieht das sehr grotesk aus in welcher Haltung die Putzkunden verharren. Der Putzerlippfisch erfüllt damit einen nicht unwichtigen Zweck, er trägt zur Gesunderhaltung der Putzkunden bei. Natürlich erfüllt er auch sich etwas gutes, nämlich das er satt wird :-)
Das Vorkommen von Labroides dimidiatus ist vielfältig. Im gesamten Indo-Pazifik verbreitet, im roten Meer bis nach Japan ist er zu finden. Er gehört zu den meist importierten Lippfischen, da auch dem Heimaquarianer die Putztätigkeit gefällt und zudem sicherlich jeder seinen Fischen etwas gutes tun möchte.
Labroides dimidiatus ist an sich wenig empfindlich und tagaktiv. Anders wie seine Kollegen zum Beispiel die Gattung Coris oder Haliocheres vergräbt er sich nicht sondern sucht kleine Löcher im Steinaufbau auf, in denen er schläft. Er hat in der Regel einen festen Schlafplatz den er nutzt. Seine nichtagressive Art und die Grösse des Fisches machen ihn zu einem besonders geeigneten Pflegling für unser Heimaquarium. Da er aber, wie alle Lippfische sehr viel Schwimmraum braucht sollte das Aquarium nicht gar so klein sein. Denn der Putzerlippfisch kann durch seine dauernde Putztätigkeit den andern Fischen auch ganz schnell auf die Nerven gehen. Je weniger Fische daher gefplegt werden desto eher geht er dem Fischbestand auf die Nerven. Die Paarhaltung ist möglich, wobei man hier wirklich Männlein und Weiblein erwischen muss. Am besten geht es unserer Meinung nach indem man zwei Lippfsiche zusammen einsetzt, und einen weit grösser als den anderen wählt. Garantien wird es leider nie geben, die Verpaarung ist aber schon öfter gelungen. Sind es aber zwei Männchen, werden sie sich jagen bis einer überbleibt. Das sollte man bei der Verpaarung immer bedenken. Wer schon mal ein Paar gehalten hat kennt das tägliche Spiel das die kleinen Labroides aufführen. Wenn sich die Fische am morgen entdecken schwimmen sie aufeinander zu, umschlingen sich, man könnte fast meinen sie turteln. Ein sagenhaft schönes Erlebnis. Leider wird der Puterzlippfisch Labroides dimidiatus nicht sonderlich alt, unser ältester Fisch wurde nur 5 Jahre alt. Wobei man das nun einige Jahre später revidieren muss. Unser derzeitiger Lippfisch ist bereits 6,5 Jahre alt.
Es ist im besonderen auf einen gute Vitaminversorgung über das Futter zu achten, und natürlich wie bei allen Fischen, auf klares saubers Wasser mit niedrigen Werten. So sind die Grundbedingungen gegeben um den Putzerlippfisch lange Jahre im Aquarium zu pflegen.
Nachteile sind uns soweit nicht bekannt mit einer Ausnahme:
Bei einigen Aquarianern entwickeln die Putzerlippfische eine Vorliebe für die Schädigung von Mördermuscheln. Ob sie sich das Verhalten abschauen oder warum sie das letztlich machen können wir leider nicht sagen. Es scheint aber so zu sein das eine Verpaarung hier nicht wirklich hilft, es kann dann durchaus der Fall sein das dann beide Lippfische die Muschel traktieren. Es bleibt dann meist nur die beiden herauszufangen und in Händer zu geben wo keine Muscheln gepflegt werden. Die Redaktion von Korallenriff.de hat in der Einleitung viel Interessantes über die Putzerlippfische zusammengetragen.
Für den Aquarianer sind natürlich neben dem optischen Reiz eines Tieres auch die anderen Eigenschaften von Bedeutung. Die positiven, aber auch die negativen Verhaltensweisen, die sich im Zusammenleben in einem eingeschränktem Biotop zeigen.
Ein Verhalten gegenüber Muscheln wurde ja bereits erwähnt. In diesem Bericht möchte ich Euch die Beobachtungen aus meinem Becken ein wenig schildern.
Vor ca 2 Jahren wurde ein Putzerlippfisch ins Becken eingebracht. Damals noch ein ziemlich kleiner Kerl, eigentlich noch juvenil. Er passte sich sehr schnell der neuen Umgebung an und verrichtete auch zuverlässig seine Arbeit, das Putzen. Größere Fische, wie z.B. die Doktoren, haben seine Dienste sofort und bereitwillig angenommen. Kleinere Fische, vor allen Grundeln und Schleimfische, fühlten sich am Anfang eher belästigt. Das legte sich aber nach einiger Zeit und auch sie erkannten die Vorteile einer Körperpflege. Nicht jedes Tier kennt diesen Fisch von seinem Herkunftsort. Da könnte die Geschichte eigentlich schon zu Ende sein und es wäre keinen Bericht wert. Aber ich stellte nun einiges fest, was mich nicht ganz so begeisterte. Andere Beobachtungen waren faszinierend.
Das der Putzer schon mal ein wenig übereifrig ist und wohl auch mal putzen möchte, obwohl es der potentielle Kunde gar nicht möchte, betrachtete ich mit einem Schmunzeln. Es ist schon ein wenig amüsant, wenn ein größerer Doktorfisch sich der Putzanfälle erwehren muß. Manchmal endet es in einer wilden Verfolgungsjagd. Erst der Putzer hinter seinem "Opfer", und dann das aufgebrachte Opfer hinter dem Putzer hinterher. Diese Schauspiele dauern in der Regel aber nicht lange und es kehrt schnell wieder Ruhe ein.
Aber das kann in vielen anderen Becken auch beobachtet werden. Von den folgenden Verhalten ist mir bis heute keine weitere Beschreibung bekannt. Mit der Zeit stellte ich eine Verringerung der Schnecken fest. Eigentlich gab es im Becken eine konstante Population. Alte Tiere starben, neue wurden groß. Nun nahm die Zahl deutlich ab. Zuerst versuchte ich es mit einem veränderten Nahrungsangebot zu erklären. Ein Mangel an Algen würde zu einer geringeren Population führen. Es lagen auch immer mehr Schneckenhäuser im Sand. Viele davon hatten nicht die volle Größe erreicht. An den Scheiben sah man kein einziges Exemplar mehr. Nun wurde ich skeptisch und vermutete einen Freßfeind.
Nach etwas genaueren und längeren Beobachtungen war das Rätsel geklärt. Sobald eine Schnecke auf die Scheibe gekrochen kam, wurde diese vom Putzerlippfisch angegriffen. Er versuchte seinem Kopf zwischen das Schneckenhaus und der Scheibe zu drücken. Und das mit einer solchen Ausdauer und Geschick das nicht mehr von Spiel die Rede sein konnte. Es war eine Jagd.
Die Schnecke wurde von der Scheibe gehebelt und fiel mit dem Schneckenhaus voran in den Sand. Das war der Augenblick auf den der Fisch gewartet hat. Sofort fiel er über die ungeschützten Weichteile der Schnecke und biß Stücke heraus. Das war das Ende für diese Schnecke und die Erklärung für die abnehmende Scheckenanzahl. An mangelnder Fütterung konnte es nicht liegen, es wurde abwechslungsreich und auch relativ viel gefüttert.
Lippfische sind relativ intelligente und verspielte Tiere. Damit mein Exemplar nicht vor Langeweile ständig irgendwelchen Schabernack trieb, habe ich diesen mit einem weiteren vergesellschaftet. Das erwies sich als nicht ganz so einfach. Das neue Tier wurde doch sehr stark unter Druck gesetzt und geschickt vom Futter abgeschnitten. Es ist also nicht unbedingt einfach und kann zum Verlust des neuen Tieres führen. Wenn es aber gelingt, wird man mit einem Schauspiel belohnt. Wie diese Tiere sich miteinander beschäftigen und gemeinsam das Becken durchstreifen, ist schon etwas besonderes.
Nun durchstreifen sie gemeinsam das Becken und manchmal überkommt sie der Schalk. Dann wird schon mal gemeinsam ein größerer Fisch ein wenig geärgert. Aber niemals verletzt oder ähnliches. Irgendwann setzte ich eine größere Steckmuschel ins Becken ein. Und das ältere Tier von den Putzerlippfischen zeigte deutliches Interesse. Ich erinnerte mich sofort an die Berichte über Übergriffe von Putzerlippfischen auf Tridacna Muscheln. Aber die Muschel wurde nicht attackiert nur sehr genau untersucht.
Nach einiger Zeit wurden die Untersuchungen der Muschel etwas genauer durchgeführt. Der Lippfisch stieß an den Mantellappen der Muschel. Aber anstatt sich zu schließen, wurde der Mantellappen zurückgezogen. Der Putzer schwamm ein wenig in die Muschel hinein. Gedanken wie, nun ist es passiert, schossen mir durch den Kopf. Entweder glaubt jetzt die Muschel dran oder der Fisch. Im schlimmsten Falle beide. Aber beides trat nicht ein. Der Lippfisch schwamm rückwärts aus der Muschel ohne etwas zu unternehmen. Auch das Verhalten der Muschel empfand ich als sehr ungewöhnlich. Sie schien den Fisch zu akzeptieren und zeigte keine Abwehrreaktionen.
Das Schauspiel wiederholte sich nun immer häufiger und immer in den Blaulichtphasen der Beleuchtung. Die Muschel reagierte auf das Klopfen des Putzer und öffnete. Der Fisch durfte nun komplett hineinschwimmen und auch dort verbleiben. Teilweise schloß die Muschel sogar die Mantellapen wieder und der Fisch verblieb minutenlang in der Muschel.
Auch der zweite kleinere Putzerlippfisch zeigte nun Interesse. Er lernte wohl von dem größeren Putzer. Nun versuchten beide Tiere in die Muschel zu schwimmen. Auch das gelang. Beide Putzerlippfische lagen in der Muschel und schauten vorne heraus. Wie auf einer Veranda. Nach wenigen Minuten wurde die Muschel immer wieder verlassen.
Obwohl der zweite Putzerlippfisch das Vorgehen nun kannte, unternahm er niemals alleine den Versuch die Muschel zu besuchen. Die Aktionen gingen immer vom größeren Exemplar aus. Der kleinere Partner hat anscheinend auch nicht die Jagd auf Schnecken übernommen. Obwohl dieses mittlerweile sehr schwierig zu beurteilen ist. Die Schnecken gehören im Becken mittlerweile zu der bedrohten Tierart und es sind nur noch ganz wenige Exemplare vorhanden.
Das gezeigte Verhalten gegenüber der Steckmuschel und dem beschriebenen Verhalten gegenüber Tridacnas macht mich doch etwas nachdenklich. Besteht dort ein Zusammenhang? Und wieso zeigen nur einige Exemplare diese Verhalten? Ist es erlernt oder in der Natur nur regional verbreitet?
Für die Qualität der Aufnahmen möchte ich mich ein wenig entschuldigen. Meine Kamera hat bei der reinen blauen Beleuchtung doch erhebliche Probleme. Mittlerweile bin ich froh überhaupt Aufnahmen zu haben, die auch nur andeutungsweise dieses Verhalten der Putzerlippfische zeigen.
Frank Diehl, Krefeld im Juni 2004
www.matuta.com
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