Hallo,
danke für all die Beiträge, ich freue mich darüber, dass hier so viel geschrieben wird und darüber viele Punkte auf den Tisch gebracht werden, die man hervorragend diskutieren kann. Ich gehe hier mal punktuell vor:
1) Ehrlich gesagt arbeite ich persönlich nicht zu 100% mit keramischen Materialien, sondern kombiniere die Grundgestaltung z.B. mit der Riffsystem Keramik mit lebenden Steinen. Dazu verwende ich frische Lebendgesteinplatten, und auch möglichst kleine, weil man diese sehr gut auf den horizontalen Auflageflächen platzieren kann. Darüber habe ich dann auch die Artenvielfalt, die man mit dem sangokai System fördern kann.
2) Wie hier auch schon im letzten Bsp. bezgl. der Glasrosen gesagt wurde, verlangen sehr viele Kunden nach einer sterilen keramischen Dekoration, um möglichen Plagen von Glasrosen angefangen über lästige Makroalgen wie z.B. Dictota vorzubeugen. Ich selbst arbeite wie gesagt immer mit lebenden Steinen, aber wer das eben nicht möchte, muss eben dafür Sorgen, dass man möglichst schnell Korallen einbringt. Das, was z.B. an Importkorallen an Biofilmen auf den Substratsteinen ist, reicht für eine Animpfung absolut aus, und ich persönlich sehe darin auch ein ähnlich großes Potential wie bei lebenden Steinen, nur, dass ich hier in der Regel nich so massive Makroalgen vorfinde, die sich schnell ausbreiten.
3) Das tote Riffgestein wurde schon angesprochen, hier bekommt man beim Kauf wenig Informationen darüber, wo diese Steine herkommen und was sie an partikulären Nährstoffen gespeichert haben. Seitens der Hersteller wird der sofortige Phosphatadsorbereinatz empfohlen, um sich rücklösende Phosphatmengen gleich abzuziehen. Ich selbst bin da zwar eher dagegen und empfehle auch hier einen möglichst schnellen Korallenbesatz, damit der Stein durch die platzierten Korallen abgeschattet wird und eine Nährstoffkonkurrenz entsteht. Ich stelle also die Frage, warum totes Riffgestein besser geeignet sein soll, als eine Keramik, die nicht signifikante Mengen an Nährstoffen enthält und zudem auch noch eine Form besitzt, die vorteilhafter ist als ein ggf. klobiger Riffstein mit vielen naturgemäß abgerunden Kanten, die einen stabilen Aufbau nicht unbedingt ermöglichen?
3) Wir sollten bei dieser Diskussion auch nicht die Naturentnahmen von lebenden Steinen und auch von totem Riffgestein vergessen. Die Aussage, dasstotes Riffgestein billiger ist, dann frage ich auch hier, wie es billiger und v.a. ökologisch sinnvoller sein kann, Steine quer über den Globus zu fliegen. Das ein in Deutschland in Handarbeit gefertigtes Keramikmaterial teurer ist als totes Riffgestein, das in Indonesien u.a. mit einer absolut nicht vergleichbaren Lohnstruktur abgebaut wird, bedeutet nicht, dass das Material dadurch wirklich billiger ist. Nur der Handelspreis ist billiger, aber bezogen auf die Arbeit und v.a. die ökologischen Auswirkungen ist es teurer. Das sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen.
4) Nur mit lebenden Steinen zu arbeiten erachte ich aus eben genannten Gründen für falsch. Ich platziere lebende Steine immer nur exponiert im Licht und in der Strömung. Dadurch kann ich die Steine auch lange in einer entsprechenden Qualität erhalten. Einen kostbaren lebenden Stein im Unterbau zu verwenden, wo er durch Licht- und Strömungsmangel abstirbt, ist nicht nur Verschwendung, sondern birgt auch den Nachteil, dass hier gleich durch die absterbende Biomasse in und auf den Steinen Nährstoffdepots entstehen, die das System langfristig belasten. Lebendegestein muss sinnvoll eingesetzt werden!
5) Lebendgestein ist zudem auch nicht immer gleich. Das Lebendgestein grundsätzlich hochporös ist, wie es hier beschrieben wird, ist nicht gan richtig. Je evolutiv älter ein lebender Stein ist, desto stärker ist er verdichtet, und erfüllt alles andere als die Gegebenheiten, wie Ben sie beschreibt. Das merkt man auch dann an der Masse bezogen auf das Volumen eines Steins. Es gibt hochverdichtete Platten, die kaum mehr porös sind. Demgegenüber sind z.B. Lebende Steinen aus Heliopora Massiven zu porös, d.h. die Porengröße erlaubt im Inneren kein konstantes Sauerstoffgefälle, das an einer bestimmten Stelle dann eine saubere Denitrifikation ermöglicht. Durch die großen Poren neigen diese Steine schnell zur Entwicklung von Nitrit, als Zwischenprodukt in der Denitrifikation, dadurch, dass sich Schwankungen im Sauerstoffgehalt ergeben. Solche Steine sind empfindlich gegenüber der Entstehung von Bryopsis. Aus diesem Grund verwende ich Lebendgestein aus Heliopora nie. Die schön mit Makroalgen bewachsenen Riffplatten aus Indonesien sind zwar leicht und formschön, und auch ideal porös. Aber sie sind eben echte Makroalgen Schleudern, und hier hat man schnell das Problem, dass sich diese Makroalgen stark vermehren. Für die Stabilität im Riffaquarium ist das zunächst gut, allerdings verschiebt sich dabei die Dominanz hin zu den Algen. Was ich schon ansprach, war die Bedeutung des schnellen Korallenbesatzes als Initiator dafür, dass eine korallenfreundliche Umgebung entsteht. Bei solchen makroalgenlastigen Steinen entsteht aber schnell eine Umgebung, die stark von den Algen geprägt ist, und insbesondere empfindliche Steinkorallen ín ihrem Wachstum bzw. in ihrer Etablierung im Aquariensystem hemmt.
Wie jedes Material hat auch Lebendgestein Vor- und Nachteile, die man kritisch diskutieren muss. In diesem Fall ist die Porösität wie Ben Sie beschreibt keine absolute Größe, sondern in Lebendgestein extrem variabel. Demgegenüber kann sie im keramischen Material mehr oder weniger gut bestimmt und festgelegt werden (wobei ich hier als Nicht-Hersteller keine Fakten und Daten dazu kenne). Die von mir genannten optimale Annäherung der Riffsystem Keramik an die Struktur von lebenden Steinen bezieht sich auf ein Lebendgestein, dass ich persönlich als "Mustergestein" ansehe. Nicht jeder lebende Stein ist gut geeignet, wie ich es schon beschrieben habe, und ich arbeite nicht mit jedem x-beliebigen Riffgestein (bsp. Helioporasteine).
6) Abschliessend möchte ich noch einmal betonen, dass dieser Artikel eine sehr gut geeignete Keramik vorstellt und anhand dieser wichtige gestaltungsrelevante Parameter erörtert. Der Leser sollte auch beachten, dass ich an keiner Stelle in irgend einer Weise vorgebe, wie jemand sein Aquarium zu gestalten hat. In keiner Weise schließe ich die Verwendung von lebenden Steinen aus, im Gegenteil, die Kombination mit lebenden Steinen wird auch im Artikel erwähnt.
7) Was die Dosierangaben angeht: ein Hersteller muss grundsätzlich eine Dosierangabe machen, und natürlich kennt er beim Verkauf des Produktes nicht den Endkunden oder sein Becken. Aber, und darauf lege ich viel Wert, stelle ich mich als Hersteller zur Verfügung, um z.B. mit Hilfe meines Anamnesebogens ein Kundenbecken auszuwerten und zu optimieren. Bei Pflanzendüngern steht auch eine Dosierangabe, und der Anwender muss erkennen, ab wann er seine Pflanze ggf. auch überdüngt hat. Das ist in der Aquaristik nicht anders. Als Hersteller stehe ich als Ansprechpartner grundsätzlich zur Verfügung, und das kann die Lücke zwischen fixer Dosierangabe und dem individuellen Bedarfsfall schliessen.
8) Thomas schreibt, dass er aus meinem Bespiel bzgl. des Spurenelementbedarfs in Anlehnung an die Nitrifikation schließt, dass bei einem bestehenden Nitratabbau kein Defizit an Eisen und Molybdän besteht. Zum einen ist die Nitrifikation nicht die Denitrifikation, also kein Nitratabbau. Mein Beispiel bezieht sich auf die Oxidation von Ammonium zu Nitrit und Nitrat. Das nur zur Klarstellung. Zum anderen ist der allgemeine Nährstoffhaushalt um Weiten komplexer als hier angenommen wird. Ich habe nur an einem einzigen Beispiel, nämlich der Nitrifikation, erörtert, dass dieser Stoffwechselweg Spurenelement-abhängig ist. Es gibt unzählige andere Stoffwechselprozesse, wie die Denitrifikation, Ammonifikation, Polyphosphatakkumulierung, Schwefelreduktion, etc. Wir können also nicht sagen, dass ein Ökosystem ausreichend mit Spurnelementen versorgt ist, nur weil wir Nitrat im Wasser haben und wiederum daraus schliessen, dass die Nitrifikation funktioniert. Im sangokai System geht es nicht um Nitrat und Phosphat, sonden um möglichst alle Stoffwechselwege und Nährstoffkreisläufe, die potentiell im Aquarium ablaufen können.
Ich hoffe, dass ich alle Punkte soweit diskutiert habe und freue mich auf viele weitere Beiträge!
Beste Grüße
Jörg