In meinem Seewasseraquarium, das ich immer gut beobachtete, fiel mir schon seit einiger Zeit auf, dass verschiedene Weichkorallen verschwanden...
In meinem Seewasseraquarium, das ich immer gut beobachtete, fiel mir schon seit einiger Zeit auf, dass verschiedene Weichkorallen verschwanden. Eine Sinularia mit ca. 30 cm Höhe wurde über Nach total abgefressen. Eine neue Tridacna hielt nur zwei Tage und war verschwunden. Nach langem Suchen fand ich sie zwischen einer Felsenhöhle verschleppt und kaputt. Auch einige Substrate mit Krustenanemonen besetzt fand ich jeden Morgen in eine Felsspalte hereingezogen. Mit der Greifzange zog ich sie dann wieder auf den gewünschten Platz zurück. Am nächsten Morgen wieder das gleiche Spiel. Auch eine neue Errungenschaft ein roter Schwamm mit weißen Polypen hielt nur ein paar Wochen. Über Nacht war auch dieser verschwunden. Ich suchte sämtliche Ritzen im Aquarium ab und erspähte nur ein kleines rotes Ästchen unter den Steinen. Mit verschiedenen Zangen und Pinzetten holte ich ihn wieder zurück auf seinen Platz. Aber nur für kurze Zeit.
Am nächsten Tag war er wieder verschwunden und wurde mit der Zeit immer kürzer und abgefressen. So langsam verging mir die Lust. Ich suchte Rat im Internet. Was konnte das für ein Tier sein, das so dermaßen aufräumte? Ich vermutete Krabben oder meinen Riffhummer oder vielleicht ein Borstenwurm. Ich stellte eine Krabbenfalle auf und bekam auch einige Exemplar zu fassen. Aber seltsamerweise, die Krabben wurden immer weniger und auch den Riffhummer hatte ich gefangen aber die Schäden im Aquarium wurden immer größer. Im Internet war auch noch eine Borstenwurmfalle beschrieben. Ich baute mir aus einem Kunststoffröhrchen mit 50 cm Länge eine Fall und stellte sie für 1 Woche ins Aquarium. Sogar diese Falle war über Nacht hinter den Felsvorsprung gezogen worden. Wenn ich heute so die Größe des Wurmes anschaue, dann muss er gelacht haben, als er die Borstenwurmfalle sah.
Eines Nachts half mir der Zufall. Ich konnte nicht schlafen und ging durchs unbeleuchtete Wohnzimmer vorbei am Aquarium. Ich sah etwas Langes ganz schnell durchs Aquarium huschen. Mir wurde ganz schlecht, das konnte doch nicht etwa so ein großer Borstenwurm sein?
Eine neue Ära war angebrochen. Jeden Abend um 10.00 Uhr ging das Aquariumlicht aus. Eine halbe Stunde später war es dann so weit. Mit einer kleinen Taschenlampe suchte ich meinen gesamten Aquariumaufbau ab. Zentimeter für Zentimeter! Dann endlich nach einer Stunde sah ich aus einem Felsloch zwei etwa 2 Zentimeter lange Fühler herauskriechen. Dann kam der Kopf und anschließend ein kleiner Teil des Körpers ca. 3 cm breit. Beim kleinsten Lichtstrahl wiederum verschwand er sofort wieder in der Spalte. Ich musste wieder warten bis er nach einigen Minuten, manchmal nach einer Stunde wieder herauskam. Nach längerem Beobachten sah ich ihn durch die Felsritzen gleiten und sein Körper war wie ein großer Tausendfüssler. Den ganzen Körper in einem Stück konnte ich nie sehen. Ich vermutete dass er vielleicht 1 Meter lang war. Man sah entweder den Kopf, das mittlere Teil der nie aufhörte sich durchs Becken zu schlängeln oder das Endstück des Wurms. Auch die Ausscheidungen des Borstenwurms waren gewaltig. Am Bodengrund häufte sich sandfarbiger Mulm, der später als wir das Becken ausräumten fürchterlich stank. Einmal in der Nacht sah ich auch wie er kleine schwarze ovale Häufchen ausschied.
Ich überlegte und suchte mir das passende Fangmaterial zusammen. Eine Aquariumzange und eine etwas kürzere Zange (ich hatte Zangen die vom Operationsbesteck stammten) , damit ich zwischen den Felsaufbau greifen konnte.
Eines Nachts war es wieder so weit. Nach längerem Warten und Beobachten sah ich ihn wieder durch die Felsritzen gleiten. Es war immer die gleiche Stelle wo er auftauchte. Ich stellte auch fest, dass zwischen den Felszwischenräumen alles zugebaut war. Es hingen leere Muschelschalen, abgestorbene Korallenstücke und kleine Steinchen fest ineinander verkeilt zwischen den Ritzen. Dort musste der Wohnraum meines Borstenwurms sein.
Ganz langsam, lautlos, ohne mit der Zange an etwas zu stoßen näherte ich mich dem Wurm und konnte ihn fassen. Festgeklammert fing er an sich zu drehen und aufzubäumen, aber meine Zange war stärker. Ich zog meine Zange aus dem Wasser mit einem Wurm mit einer Länge von ca. 60 cm (Video ist vorhanden). Es war genau 4.00 Uhr morgens und ich jubelte. Den Borstenwurm legte ich in einen Behälter und ging voll erschöpft ins Bett und schlief in aller Ruhe. Das Thema Borstenwurm war Geschichte!!
Am nächsten Tag oder besser gesagt am gleichen Tag betrachtete ich meine Beute. Ich beobachtete den glänzenden Körperpanzer der aus vielen einzelnen Gliedmassen bestand und die seitlichen Füße mit denen er sich bewegte. Aber wo war der Kopf? Der Kopf fehlte, meine Freude wich langsam und eine Vorahnung beschlich mich, ich hatte nur einen Teil des Tieres gefangen.
Die nächsten 2 Nächte sah man nichts mehr vom Borstenwurm im Aquarium. Ich hegte schon die Hoffnung, dass vielleicht das andere Teil absterben würde. Aber auch diese Hoffnung schwand, denn bekanntlich sterben Würmer nicht wenn man sie durchschneidet.
In der 3. Nacht traute ich meinen Augen nicht, als wäre nichts geschehen, durchstreifte der Borstenwurm erneut mein Aquarium. Mir wurde klar, so konnte ich ihn nicht fangen. Ich fasste den Entschluss mein gesamtes Becken auszuräumen . Ausgerüstet mit Tauchhandschuhen durchsuchte ich jeden Stein und als ich den letzten Brocken Lochgestein aus den Becken nahm, war die Hälfte des Wurms im Gestein und die andere Hälfte hing unten heraus. Ich rechnete bis dahin mit einer Länge von ca. 1 Meter. Was ich sah schockierte mich denn das zweite Stück Borstenwurm hatte eine Länge von über 160 cm!
Rudolf Bohl, im August 2009* für Korallenriff.de
*=Anmerkung der Redaktion: Im Sept. 2010 nach Datenrettung einer def. Festplatte wieder gefunden und hiermit nachgereicht. Gruß Manu
*=Diese Story stand auch in Der MeerwasserAquarianer 2/2010, siehe Bericht
*= In der Galerie sind XXL-Fotos
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